Wie ich in den Wald hineinrufe

Vor einiger Zeit schrieb einer meiner Facebook-Freunde einen sehr schönen Beitrag über die Kommunikation unter uns Menschen. Er hat mich damit ein wenig zum Nachdenken und Selbstreflektieren gebracht. Wie kommuniziere ich eigentlich?

Ich arbeite beim Anwalt, genauer gesagt, beim Insolvenzverwalter. In den Regalen, verstaut in schwarzen Ordnern, stecken Schicksale. Jede Insolvenz hat ihre eigene Geschichte. Aber alle handeln von Menschen, denen ihr finanzieller Spielraum entglitten ist. Manchmal durch Leichtsinn, Selbstüberschätzung und Blauäugigkeit, aber auch durch Krankheit, Trennung oder Verlust.

Ich kommunziere täglich per E-Mail, per Brief oder am Telefon mit diesen Menschen. Viele von ihnen schämen sich und versuchen, selbst wenn ihr Verfahren schon seit einigen Jahren läuft, immer noch, sich bei mir zu rechtfertigen oder sogar zu entschuldigen. Im Laufe der Zeit eines solchen Verfahrens lernt man diese Menschen kennen und erfährt eine Menge aus ihrem Leben. Ich werde mit Existenzängsten, privaten Katastrophen und Geburten, aber auch dem Tod konfrontiert.

Für mich ist es wichtig, dass diese Menschen wissen, sie müssen sich bei mir für gar nichts rechtfertigen oder schämen. In jeder E-Mail und auch in jedem Gespräch versuche ich, oftmals mit Humor, aber auch Verständnis, diesen Schuldnern gegenüberzutreten. Manch ein Telefonat kann dabei auch etwas länger dauern, wenn da jemand ist, der nur gehört und verstanden werden möchte und dann endet so ein Gespräch auch schon mal in Lebensberatung oder -hilfe. Ich tu das gern, weil mir meist von der Gegenseite Vertrauen, aber auch große Dankbarkeit dafür entgegengebracht werden.

Privat sieht meine Kommunikation ein wenig anders aus. Für einen guten Zuhörer und genauen Beobachter halte ich mich auch dort. Allerdings rede ich nicht gerne über mich. Es gibt eine Handvoll Menschen, mit denen ich ziemlich offen und ehrlich sprechen kann. Diese dürfen sogar behaupten, dass sie mich kennen und wissen, wie ich denke, fühle und sehe. Alle anderen werden nie wissen, wer ich wirklich bin, weil ich es nicht zulasse. Erst gestern sagte jemand zu mir: „Mit deinem Sarkasmus kannst du Menschen ziemlich böse treffen.“ Das bekam ich nicht zum ersten Mal zu hören. Ich weiß das! Und es tut mir manchmal im Nachhinein sogar leid. Aber ich kann nicht aus meiner Haut und Sarkasmus ist mein Versteck. Dort kann ich mich wunderbar so lange verkriechen, bis ich erkenne, ob jemand dafür bereit ist, mich auszuhalten, mit mir über die Dinge zu sprechen, die mir wichtig sind und mir auch offen und ehrlich gegenüberzustehen. Ich selbst will mich nicht jenen öffnen, die in anderen Sphären als ich schweben und die meine Ansichten ohnehin nicht teilen können, weil sie diese nicht so sehen und empfinden. Ich möchte kein offenes Buch für jeden sein, der nur gelangweilt ein paar Sätze durcheinander liest und mich sofort irgendwo in seinen Vorstellungen einordnet.

Ich weiß aber auch, wer sich die Zeit nimmt, um mich langsam aus meinem Versteck zu holen, wer sich dafür interessiert, wie ich denke und woran ich glaube, wer wirklich meine Träume, aber auch meine Albträume erfahren möchte, wird mich hinter dem Lachen und dem Sarkasmus finden, statt sich davon abschrecken zu lassen. Dann, wenn ich ihm vertraue und kein Versteck mehr brauche. In dem Moment kann es die wunderbarste, ehrlichste Begegnung und Kommunikation werden.

Ich bin mir sicher, dass ich wieder Vorträge zu hören oder lesen bekommen, dass ich mich doch jedem Menschen von Anfang an ehrlich und offen zeigen soll. Ehrlich bin ich (gerade auch in diesem Moment), nur nicht sofort offen. Man möge gar nicht erst versuchen, mich dahingehend zu belehren oder zu verändern. Ich habe meine Erfahrungen im Leben gemacht und in meinem Versteck fühle ich mich seit Kindertagen recht wohl.

Aber wenn du kein Problem mit mir und meiner komischen Art hast und mir vielleicht sogar genauso schlagfertig begegnest, dann ist auf jeden Fall der Anfang unserer gemeinsamen Kommunikation gemacht.

Und wer weiß, vielleicht werden daraus eines Tages die aufrichtigsten und interessantesten Gespräche. Ja, vielleicht lachen wir uns dann gegenseitig in unsere Herzen.

So, wie ich es schon mit einer Handvoll geduldiger Menschen vor dir geschafft habe…

… mit jenen, die mich in meinem Versteck erkennen konnten.

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