Wer bestimmt eigentlich, auf welche Art und Weise wir mit Schmerz umgehen oder wie lange wir brauchen, um Wunden zu heilen? Wer glaubt sich denn so allwissend, uns eine Dauer und einen Weg dafür vorzuschreiben zu können?
Ich spreche hier nicht von kleineren emotionalen Unpässlichkeiten, sondern von der Wucht jener Verletzungen, die einen plötzlich in die dunkelste Ecke des eigenen Lebens katapultieren. Ich schreibe von der individuellen Schwere des Schmerzes und der Trauer, die einen hilflos kauernd dort am Boden verharren lassen. Gewiss gibt es Menschen, deren Aufenthalt in diesem Dunkel nur kurzzeitig anhält. Sie verarzten sich meist recht schnell mit von außen gereichten Tinkturen aus Schuldzuweisungen, Zorn oder Rache; kleben ein Pflaster drauf und fertig. Bis zum nächsten Mal. Das kann ich aber nicht.
Wenn ich aus alten, fälschlicherweise verheilt geglaubten, Wunden erneut blute, werfe ich alle Türen zu. Ich verbarrikadiere mich regelrecht. Emotional aber auch physisch. Ich schließe alle Schlösser zweifach und manchmal recht lange. Wenn du mich so erlebst, hat das nichts damit zu tun, dass ich dich aus meinem Leben ausschließen oder dir mit dieser Abwehrhaltung weh tun möchte. Ich muss mich einfach nur selbst schützen, damit in diesen offenen Wunden nicht noch mehr gestochert wird. Ich möchte so hilflos und mit Traurigkeit verhangen natürlich auch nicht von dir gesehen werden. Diese Zeit brauche ich für die Kommunikation mit mir selbst. Zeit, um zu schauen, woher dieser Schmerz kommt und im besten Fall meinen Weg zu finden, ihn zu heilen.
Ja, du warst vielleicht einer der Auslöser für dieses Schlachtfeld in mir. Aber ich weiß auch, dass du nicht die Ursache warst. Glaub mir, auf diese in den untersten Kellergewölben meiner Seele zu stoßen, ist nicht unbedingt ein fröhliches, rauschendes Fest. Was sich in dieser Tiefe findet, kann sogar mehr schmerzen, als die Verletzungen an sich. Ich wünsche mir, dass du verstehst, weshalb diese Zeit meiner Abwesenheit mehr mit mir als mit dir zu tun hat.
Sobald ich dazu bereit bin, werde ich aber beginnen, die Schlösser meines verriegelten Raumes wieder zu öffnen. Den Zeitpunkt, wann ich die Türen nach und nach aufschließe, kann mir niemand von außen vorschreiben. Ich muss den richtigen Moment selbst fühlen, denn er wird mich verdammt viel Mut kosten.
Wenn ich zurückkomme, sei bitte nicht der Mensch, der nachtragend, gekränkt oder durch meinen Rückzug in seinem eigenen Stolz verletzt, meinen Mut zur Offenheit ignoriert. Kannst du da sein, wenn ich noch etwas unsicher durch den Türspalt luschere?
Vielleicht fällt dir das ja leichter, sobald du versuchst dich an dein Gefühl zu erinnern, als eine Hand sich dir entgegenstreckte, jedes mal, wenn du vorsichtig und erschöpft aus deinen eigenen schmerzvollen und bodenlosen Versenkungen zurückgekehrt bist.
Jeder braucht sein eigenes Tempo und seine Route, um die dunklen Täler des Lebens zu durchwandern.
Und doch ist es schön zu wissen, dass uns am Ende eines Pfades noch jemand mit Geduld und Verständnis für unsere Reise erwartet.