Ich mache mir Gedanken um die Männer. Männer, die irrsinnigerweise davon überzeugt sind, sie hätten diese Bezeichnung womöglich nicht mehr verdient. Männer, die so wertvoll sind, aber uns Frauen trotzdem verloren gehen.
Ich habe sie gesehen. Sie sind allerdings schwer zu finden, weil sie sich verstecken. Diese Männer hocken in dunklen schwarzen Höhlen, gebettet auf schlimmen Ereignissen, schlechten Erfahrungen und erschreckenden Begebenheiten, die sie aus dem routinierten Alltag gerissen und zu Boden gestreckt haben. Diese Männer sind zwar wieder aufgestanden, aber sie haben Blessuren davongetragen, die nicht mehr zu übersehen sind und bleiben werden. In diesen Höhlen stecken Männer, die glauben, dass ihr Dasein als Mann nun nicht mehr wahrgenommen wird. Denn sie funktionieren, nach dem, was ihnen passiert ist, nicht mehr so, wie es ihnen beigebracht wurde.
Aber ich frage euch, wer hat euch Männern all den Mist erzählt, wie ein Mann zu sein hat? Wer hat euch das Märchen vom allzeit gesunden, funktionierenden und starken Mann aufgetischt? Eure Großväter, eure Väter? Oder waren es eure Großmütter, Mütter und Frauen, die ihre eigenen Erwartungen auf euch projiziert haben? Ich weiß, sie haben euch verdammt gut konditioniert. Allerdings haben sie euch nicht gesagt, wir ihr damit umgehen sollt, wenn euer von ihnen auferlegte Lebensplan vom Leben selbst durchkreuzt wird, nicht wahr? Und nun sind da diese Gefühle, wie Scham, Angst, Verzweiflung, Minderwertigkeit und ich denke, ganz viel Traurigkeit.
Ich habe dich, einen dieser Männer, kurz aus der Dunkelheit aufblitzen sehen. Dich, der schon eine Weile irgendwie in meiner Nähe war, den ich aber in seiner Höhle nicht erkennen konnte. Ich stehe vor dir, vor deinem schwarzen Versteck, und bitte dich, ein Stück ins Licht zu kommen. Ich möchte dich sehen können, mit all den noch offenen und vernarbten Wunden. Doch du traust dich nicht wirklich heraus. Nur ein paar Umrisse konnte ich bisher von dir erkennen. Ich habe deinen großartigen Gedanken gelauscht und dabei dein wunderschönes Herz gespürt. Du sagst, dass es in dieser Höhle zwar bequem ist, aber dass es nicht der Ort ist, an dem du Nähe fühlen und Wärme empfangen kannst. Aber genau danach sehnst du dich. Ich möchte nicht in dieses schwarze kalte Loch zu dir kriechen. Also komm mir bitte ein Stück entgegen. Wovor hast du Angst? Enttäuscht zu werden oder selbst jemanden zu enttäuschen? Wie willst du herausfinden, ob überhaupt etwas davon eintritt, wenn du es nicht ausprobierst?
Wisst ihr was, ihr Männer in euren Verstecken? Hier draußen sind Frauen wie ich, denen es vollkommen egal ist, ob ihr tadellos funktioniert. Sie wollen eure Seele berühren und nicht einen durchtrainierten, gesunden Körper nur anfassen. Sie wollen die Wärme eurer Nähe fühlen und keine kalten Ledersitze im irre teuren Auto. Sie wollen auf einer Wiese mit euch lachend das Kitzeln der Sonne im Gesicht genießen, statt overdressed auf Partys zu flanieren. Sie wollen auch nächtelang ihre Gedanken mit euch teilen und nicht in alltäglichem Smalltalk verstummen. Sie erwarten nicht, dass ihr für sie funktioniert.
Ja, vielleicht ist es nicht ganz so einfach mit euch und ihr seid etwas anders. Das mag sein. Aber diese Frauen wollen auch kein EINFACH mehr, weil sie selber nicht mehr einfach sind. Denn sie saßen schon in ähnlichen Verstecken wie ihr. Wer sollte euch und wer sollte sie besser sehen und verstehen, als ihr euch gegenseitig? Hört auf zu glauben, dass ihr Liebe nicht mehr verdient hättet. Das habt ihr mit Sicherheit. Doch sie kommt nicht zu euch in die dunkle Kälte. Dort erfriert sie. Deshalb müsst ihr der Liebe mutig ein Stück entgegengehen und sie nicht aus Angst wieder wegschicken, wenn sie vor euch steht.
Und du, der mir erzählt hat, dass er sich als Last für andere sieht, obwohl er so gerne wieder vertrauen, sich einfach fallen lassen und trotz seiner Geschichte wieder ehrlicher Liebe begegnen möchte… Du, der mich bereits seine Umrisse erkennen lassen hat… dreh deine Musik, die dich von allem abschottet und deren Bass dich dieses Leben intensiv fühlen lässt, bitte für nur einen Moment leiser, damit du hören kannst, wenn mein Herz ganz leise flüstert, dass du es berührt hast, weil du wundervoll bist und du diese Nähe, Wärme und Liebe, die du dir so sehr wünschst, verdient hast…
… selbst, wenn du nicht mehr ganz ruckel- und fehlerfrei funktionierst.