Brauch mich bitte nicht!

Freitag war ein regelrechter Glücks-Tag. Unabhängig voneinander wurde merkwürdigerweise in meinem Umfeld überall das Thema Glück diskutiert… im Büro, in der Familie. Und ich selbst hatte eine wunderschöne Konversation mit einem bis dahin Unbekannten. Fazit dieses Tages war für mich, dass Glück wohl wirklich sehr individuell ist. Aber eines fiel mir auf. Viele verbinden ihr ganz eigenes Glück mit der Liebe und der Nähe eines anderen Menschen.

Da ist teils in Freundschaften, aber zumeist in Partnerschaften die Rede von „Nur du machst mich glücklich.“, „Ich kann ohne dich nicht leben.“ oder „Ich brauche dich.“ Mich selber schüttelt es dabei ein wenig. Es ist unstreitbar natürlich wunderbar, jemanden an seiner Seite zu haben, mit dem man reden, lachen und auch leben kann und mit dem man sich gemeinsam einfach die Bettdecke über den Kopf zieht, wenn die Welt einen zu erschlagen droht. Aber bitte, sag diese Sätze nie zu mir!

Wenn du mich für dein Leben und dein Glücklichsein wirklich brauchst, stülpst du mir eine Verantwortung über, die viel zu schwer für mich ist und der ich nicht gerecht werden kann. Es ist mir nicht möglich, dich 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr glücklich zu machen. Wo bleibe ich dann? Wenn du mich brauchst, um glücklich zu sein, nimmst du mir damit die Luft zum Atmen. Du nimmst mir auch den Raum, mich frei bewegen zu können und verschiedene Richtungen auszuprobieren. Denn ich müsste immer darauf achten, dass es dir bei allem, was ich tue, gut geht und dass ich mich nie zu weit von dir entferne. Du würdest mich in deine Erwartungen und Vorstellungen einsperren, wenn dein Leben und dein Zufriedensein von mir abhängig sind. Wie soll ich mich umsehen, träumen und meinen Weg, der mich glücklich macht, gehen können, wenn du mich festhältst? Ich möchte nicht, dass du unglücklich bist, nur weil ich vielleicht einmal nicht nach deinen Plänen funktioniere.

Bitte brauch mich nicht! Wenn du es schaffst, Glück nicht auf einen bestimmten Menschen zu reduzieren, wenn du deine eigenen Träume träumen und deine Entscheidungen auch ohne meine Anwesenheit treffen kannst, dann erst lässt du mir die Chance, mich selber zu leben und dabei dich zu lieben. Denn, wenn du in dir selber, und nicht in Abhängigkeit zu mir, dein Zuhause, das dich glücklich macht, gefunden hast, werde ich nur noch der Vorgarten dazu sein. Dann bin ich für dich der Ort, an dem du dich ausruhen, lachen, weinen und reden kannst. Ich werde der Platz sein, der dich auffängt, wenn du stolperst und der dich in Ruhe schlafen lässt, wenn du müde bist. Und wenn du keinen Zaun um mich herum baust, können sich trotzdem auch meine Wurzeln und Blüten in alle Richtungen ausbreiten und dich immer wieder umarmen, wenn du in mich eintauchst.

Dann, wenn du dich bei mir einfach nur wohl fühlst, wenn du gerne bei mir bist, weil du es möchtest und nicht, weil du mich brauchst, wenn du aus meiner wildwachsenden Wiese in diesem Garten keinen englischer Rasen trimmst, sondern mich lächelnd sehen und genießen kannst, so wie ich bin, wirst auch du mich mit Respekt und Liebe behandeln und nicht mehr mit deinen Erwartungen an mich quälen. Dann wirst du ganz von selbst, ohne dass ich dich brauche oder es von dir erwarte, ein wenig Wasser auf die Blumen dieses Vorgartens gießen, wenn eine Zeit lang Trockenheit herrscht und meine Blüten anlächeln, selbst wenn sie nach einem Sturm ein Weilchen hängen.

Erst wenn dein Selbstwert und dein ganz individuelles Glück nicht mehr in meiner Verantwortung liegen, kannst du der Mensch sein, dem ich beim Einschlafen ganz nah bin und der meine Hand hält…

… ohne sie festzuhalten.

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