In drei Wochen habe ich Geburtstag. Es wird für mich kein gewöhnlicher Geburtstag, sondern eine erneute Null wird mein Alter dann zieren. Ich trage seit einiger Zeit ziemlich schwer an dieser nahenden Null, denn es ist die Phase irgendwo zwischen Jung-Sein und Alt-Werden. Mein Körper weist mich schon seit einiger Zeit sehr penetrant darauf hin, dass er die Ideen meines Geistes nicht mehr ohne entsprechende (meist schmerzende) Konsequenzen umsetzen mag. Das ist nicht immer witzig. Sein spontanes, unangekündigtes Erhitzen und genauso apruptes Abkühlen und Frieren sind bei all dem noch das kleinste Übel.
Und dann war da vor ein paar Wochen die Szene im Büro. Der Chef hatte gute Laune und alberte mit mir herum. Dabei verkündete er im Spaß, dass er sich wünsche, ausschließlich solche Mitarbeiterinnen wie mich zu haben… ruhig, ausgeglichen und genügsam. Die junge Kollegin (Ende Zwanzig) zog sich den Schuh sofort an und warf in den Raum: „Naja, was bleibt ihr anderes übrig? Was kann sie in ihrem Alter noch und wo will sie denn sonst noch hin?“ Für einen Moment überfiel mich Sprachlosigkeit. Sie hatte wirklich mich und mein Alter gemeint und keine Ahnung, wie weh mir ihre Worte gerade taten. Als ob es nicht reichen würde, dass ich selber diese Zeit als Anfang vom Ende empfinde, wühlte dieses junge Ding mit ihrer Äußerung noch so richtig in der Wunde herum.
Aber plötzlich grinste ganz tief in mir drin diese „alte“ Frau und antwortete still und ungehört:
„Ich kann das Leben, Baby! Denn dieses habe ich intensiv erlebt, gelebt und bis hierher überlebt. Du musst erst noch überstehen, was ich schon längst hinter mir gelassen habe. Du wirst eines Tages inmitten von Trümmern liegen, aus denen ich mir schon vor langer Zeit schicke neue Wege pflasterte. Du wirst auch noch all die Tränen weinen, welche ich schon längst getrocknet habe. Im dichten Nebel wirst du dich noch sehr lange an anderen orientieren und dich vergleichen, bevor du deine eigene klare Sicht erlangst und dich selbst findest.
Der Vorteil älterer Frauen ist, dass die Dramaturgie des Lebens sie nicht mehr so schnell zu Boden werfen kann. Meine Erfahrungen haben mich gefestigt und stabilisiert. Was dir noch als orkanartiger Sturm erscheinen mag, ist für mich lediglich eine kleine Windböe, die mich nur kurz ins Wanken bringt. Meine Definitionen vom Glück, von Liebe und vom Leben entsprechen nicht mehr den deinen. Sie sind so einfach geworden und ich muss sie nicht mehr ständig im Außen suchen.
Du hast noch eine Menge Träume und das ist gut so. Aber stell dir vor, auch ich habe diese noch. Ich arbeite gerade daran, all meine geschriebenen Gedanken endlich in einem Buch zu bündeln. Ich glaube auch immer noch, dass ich eines Tages den Ring of Kerry in Irland entlang fahren werde. Und ja, ich träume unverändert davon, dass mich irgendwann jemand ganz fest im Arm hält, der mich nicht wieder fallen lässt, sondern dieses Mal bis zum Schluss bei mir bleibt.
Ich glaube, ich kann mittlerweile eine Menge und ich weiß auch genau, wo ich noch hin will. Durch deine unbedachte Äußerung hast du mich wieder daran erinnert. Danke.
Aber weißt du eigentlich, was ich besonders gut kann? Dich verstehen! Denn ich war auch mal jung. Damals habe ich tatsächlich gelebt und gedacht wie du. Es dauerte eben seine Zeit, bis ich die Frau wurde, die du heute belächelst.
Allerdings habe ich bereits in jungen Jahren ältere Menschen stets für ihre Lebenserfahrung geachtet und respektvoll behandelt…
… und genau das unterscheidet uns beide scheinbar.“