Von Liebe, Social Network und so

Mit unserer sogenannten Liebe werfen wir verbal ziemlich unbedacht um uns. Wir behaupten ständig, dass wir lieben; unser Leben, unsere Familie, unseren Job, unsere Freunde oder auch unseren Partner. Im Social Network zeigen wir das selbst Fremden ganz deutlich mit all den Herzen, die wir unter Postings großzügig platzieren. Alles im Namen der Liebe.

Und irgendwo zwischen all dieser Liebe liebe auch ich. Da war vor einigen Jahren mein Treffen auf einen Mann. Dieses entwickelte sich zu einer merkwürdigen Begegnung ohne Bestand und mit gefährlichen Nebenwirkungen für mich. Wir verliebten uns und lagen eng beieinander, um uns doch nach kurzer Zeit wieder zu verlieren. Wir ignorierten uns Monate, um dann plötzlich ungeplant wieder aufeinander zu treffen. Unsere Wege trennten sich erneut, nur um sich nach gefühlten Ewigkeiten doch wieder zu kreuzen. Mal waren wir uns nah und anschließend auch wieder so weit entfernt. Wir lachten und wir stritten. Wir redeten und wir schwiegen. Wir waren vernünftig und auch so manches Mal verrückt. Wir flogen zusammen in große Träume und wachten getrennt voneinander in der begrenzten Realität wieder auf. Wir waren Liebende und ein anderes mal nur noch Freunde. Wir wurden einander zur Vergangenheit und dann wieder zum gegenwärtigen Moment. Nein, dieser Mensch war nicht beständig an meiner Seite, egal wie sehr ich es mir auch wünschte. Und doch war er stets bei mir, nämlich in mir, in meinem Kopf und in meinem Herzen. In der Zeit seit Beginn unserer Begegnung gab es keine virtuellen Herzen oder vor Liebe strotzende geschriebene Worte in aller Öffentlichkeit. Dort tauchte nichts davon auf. Kaum jemand wusste von uns. Es war mein ganz eigenes für ihn schlagendes Herz und meine Worte, die auch nur für ihn und sonst niemanden bestimmt waren, irgendwo versteckt und unbemerkt zwischen all den Herzen, die ihm von mehreren hundert „Freunden“ im Social Network zugeworfen wurden.

Nach fast einem Jahr ohne jeglichen Kontakt oder Kommunikation brachte das Leben uns vor einiger Zeit erneut zusammen und ich saß nun einem Mann gegenüber, der arg vom Leben verändert worden war. Aufeinanderfolgende schwere Herzinfarkte, Operationen, Ängste, Hoffnungen und jede Menge Schmerz machten aus ihm einen anderen, vielleicht nicht immer einfachen und leicht zu verstehenden Menschen. Die Krankheit und sein Verändern durch diese hatte ihm vieles genommen, den geliebten Job, Familie und den ein oder anderen Freund. Was blieb, war der Bodyguard, den er seitdem in seiner Brust trägt und der sein Leben im Notfall schützen soll – der Defibrillator – sowie eine, den Grundbedarf nicht einmal deckende winzige Rente. Allerdings waren da auch noch kleinen Wünsche, die mit dem, was jetzt zur Verfügung stand, nicht mehr erfüllbar waren. Der Traum von einem E-Bike zum Beispiel, um im nahenden Frühling trotz aller gesundheitlicher Einschränkungen, das Leben dort draußen fühlen zu können, lag in dieser Situation sehr weit entfernt.

Irgendwann saßen wir beide zusammen und hatten die Idee, seine in den vergangenen Jahren aufgeschriebenen Gedanken und Gefühle in Form und dann in ein Buch zu bringen. Viele Abende wurden diese Texte herausgesucht, bis spät in die Nacht bearbeitet und letztendlich veröffentlicht, um seinen kleinen Traum selbst finanzieren zu können. Ich war sehr optimistisch. So viele Menschen hatten ihn ja bisher dort im Social Network öffentlich mit Liebe überschüttet, dass ich mir sicher war, jene würden ihn und sein Vorhaben genauso unterstützen wie ich. Denn allein konnte ich es nicht schaffen.

Er machte auf sein veröffentlichtes Buch dort aufmerksam und es geschah… Nichts! Ich hatte nicht erwartet, dass diese Texte von jedem gemocht und sofort gekauft werden, denn sie sind schon sehr speziell. Aber ich war der festen Überzeugung, dass dieser Beitrag durch seine vielen ihn „liebenden“ Freunde ver- und geteilt und dadurch verbreitet wird. Sie taten es nicht. Es machte mich nicht traurig, dass Menschen sich nicht mit der Art und Weise des Schreibens ihres „Freundes“ identifizieren konnten (Geschmäcker sind nun mal verschieden), sondern dass ihr bisheriges Liebes-Gedöns scheinbar das ledigliche Unterstützen bei der Verwirklichung seines kleines Wunsches nicht mit einschloss, nicht mal einen einzigen Klick.

Außerdem geben wir doch ständig Geld für unnützen Kram aus, spenden großzügig Gelder an Organisationen in weiter Ferne ohne die Gewissheit, wo und ob es überhaupt ankommt. Aber das günstige Buch eines Freundes zu kaufen und ihn mit dieser kleinen Geste seinem kleinen Wunsch ein Stückchen näher zu bringen, stehen scheinbar auf einem anderen Blatt als Liebe und Loyalität, selbst, wenn man dafür etwas zurückbekommt, nämlich die geschrieben Gedanken eines Anderen.

Ich gebe zu, dass ich sehr traurig und enttäuscht war. Ja, man mag mir zu hohe Erwartungen vorwerfen. Aber waren sie wirklich zu hoch? Oder habe ich nur eine andere Art, Liebe zu zeigen und auch zu leben?

Unsere merkwürdige Begegnung mit all ihrem Kommen und Gehen, den Hochs und Tiefs, in die sie mich katapultierte und auch mein Gefühl, das immer blieb und jeder Veränderung des Anderen standhielt, selbst wenn wir wieder voneinander weggingen, wurde ausgelacht, in den Dreck gezogen und als nicht normal bezeichnet. Ja, mag sein, dass wir uns nie wieder in den Armen liegen, nie wieder unsere Hände halten oder aus dem Augenblick heraus verliebt knutschen. Aber ich behaupte, dass unsere Wertschätzung des Anderen, der Respekt und das gegenseitige Mittragen und Unterstützen von Träumen und Wünschen in schwierigen Situationen ehrlichere und tiefere Liebe ist, als das, was man mir als normal vormachen will, obwohl sie verborgen vor der Öffentlichkeit gelebt wird…

… ohne blinkende Herzchen und ohne oberflächliches Gerede von Freundschaft und Liebe, dass sich angesichts der hilflosen Situation eines sogenannten Freundes auch mal ganz schnell verflüchtigt.

Ich werbe eigentlich nie für andere Projekte. Trotzdem setze ich hier den Link zu der Stelle meiner Webseite hin, an der man zum Kauf des Buches von Andreas Bäumken geführt. Ich danke jedem, der diesen Beitrag teilt bzw. so verrückt war oder jetzt ist, das Buch eines Unbekannten zu kaufen. Danke!

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