Reset – Einmal zurücksetzen bitte!

Nun ist er da, dieser Moment, von dem ich nie dachte, dass er mir passiert. Der Moment, in dem alles anders ist, als es davor noch war. Ein kurzer Augenblick, eine unspektakuläre Szene an einem ganz gewöhnlichen Tag, ließ etwas mit mir geschehen.

Plötzlich laufen die Gedanken Amok und bauen verrückte Konstrukte auf. Emotionen und Gefühle schwirren durcheinander wie ein Schwarm Mücken. Da sind jene, die sich gut anfühlen, aber auch die, welche auf keinen Fall da sein dürften. Was ich gestern noch dachte und tat, scheint heute komplett irre. Und was ich gestern noch fühlte, ist heute so anders.

Als ob das nicht schon verwirrend genug wäre, ist es auch noch der Moment, in dem mir dort draußen alles zu laut wird. Ich scheine erschlagen zu werden von den vielen Wahrheiten und selbstgefälligen Belehrungen über das Leben. Von allen Seiten wird lauthals in Frage gestellt, was ich sehe, wahrnehme, fühle und denke… Solange, bis ich mich selber in Frage stelle. Die Welt dreht sich zu schnell und verursacht Schwindel und Übelkeit in mir. Ist das, wie ich bisher war, nicht mehr richtig, sondern falsch? Gibt es überhaupt ein Richtig und Falsch? Aus welchem Brunnen holen andere die Weisheit, besser zu wissen, was für mich gut ist?

Abends erwische ich mich dabei, wie ich ewig unter der Dusche stehe, regungslos das Wasser über meinen Kopf, Gesicht und Rücken bis zu den Füßen laufen lasse. Ich beobachte die kleinen Bäche, die an mir herunterfließen, so als würde ich warten, bis der gesamte Dreck, der innen und außen an mir klebt, gründlich weggespült wird. Dabei drehe ich das Wasser langsam heißer, so heiß, bis die Haut rot wird, bis es weh tut, damit ich mich selber wieder spüre.

Morgens liege ich nach dem Weckerklingeln viel zu lange mit offenen Augen im Bett, schaue von dort in die Morgendämmerung am Himmel und lausche durch das offene Fenster den gerade erst aufgewachten Vögeln, bis ich dann in Zeitnot gerate, um noch rechtzeitig ins Büro zu kommen.

Ich mag nicht mehr reden. Gestern sagte jemand etwas beleidigt zu mir: „Egal, was ich sage oder dich frage, ich bekomme keine Antworten mehr von dir.“ Genau! Denn ich habe keine Lust mehr auf deine täglichen, unwichtigen Dramen, die selbstkreiert und hochgepuscht sind, die sich ständig wiederholen, weil du nichts von dem verstanden hast, worüber wir oft genug sprachen. Auch habe ich keine Lust mehr, mein Leben und mich dir zu erklären.

Ich habe fast ständig Kopfhörer in den Ohren und höre Musik, viel zu laut. Diese lässt mich nämlich dort sein, wo ich sein möchte. Musik erinnert mich wieder an mich selbst.

Es ist ein Rückzug, den ich nicht absichtlich beschlossen habe. Er ist einfach passiert. Ein Rückzug dorthin, wo ich selber wieder spüren, fühlen und ich sein kann. Ein Rückzug, bei dem das Leben scheinbar die Jalousien für mich öffnet, damit ich wieder klar sehe, was ich eine Zeit lang großzügig – auch an mir selber – übersehen habe. Vielleicht darf ich ganz neu entdecken, was und wer mir wirklich wichtig ist. Aber vielleicht bleibt auch alles beim Alten. Ich weiß es nicht.

Verwechsel meinen Rückzug nicht mit Resignation, Aufgabe oder sogar depressiver Verstimmung. Es ist nur, was es ist, ein kurzer Rückzug, damit das Leben eine Chance bekommt, mich neu zu sortieren und zu orientieren. Ich brauche diesen Moment zum Stillsein…

… ganz still, um meine eigene Wahrheit, meine eigenen Gefühle und mein eigenes Herz wieder deutlich hören zu können, auch wenn die Töne eventuell total anders klingen als gestern.

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