Das will ich aber anders

Um über Menschen schmunzeln zu können, brauch ich eigentlich nur jeden Tag ins Büro zu gehen. Denn dort spielen sich tatsächlich hautnah die oskarreifen Komödien ab.

Heute zum Beispiel. Das Außenthermometer hat die 30°-Marke überschritten. Die Kollegin im Büro stöhnt: „Viel zu heiß! Hoffentlich wird es bald kühler.“ Ich spule vier Wochen zurück. Anfang des Monats sprach die gleiche Kollegin: „Viel zu kalt für Mai! Wann wird es endlich wärmer?“

Der Blick auf den Kontostand heute verriet, dass das Gehalt nicht, wie gewohnt, drei Tage vor Monatsende auf dem Konto ist und die Lohnbuchhaltung gab auf Nachfrage bekannt, dass es diesen Monat ein bis zwei Tage später verfügbar sein wird. Eine Kollegin echauffiert sich fürchterlich: „Das ist eine Frechheit. Ich habe Daueraufträge und Abbuchungen auf meinem Konto.“ Wieder spule ich den Film zurück. Selbe Kollegin vor einigen Monaten: „Ich finde es nicht gut, wenn das Gehalt immer zu früh auf dem Konto liegt, denn dann gebe ich es auch viel zu früh wieder aus.“

Nächste Szene aus dem Büro. Eine Kollegin erzählt, was es gestern zum Abendessen gab, was sie gekocht hat und wie ärgerlich es war, danach die Töpfe abzuwaschen. Rückschau: Vor einigen Monaten brauchte diese Kollegin unbedingt und um jeden Preis einen Thermomix. Anfangs bekam ich täglich Sachstandsberichte über die damit gezauberten Mahlzeiten. Heute wird scheinbar doch wieder in den ganz simplen, altmodischen Töpfen gekocht.

Dieses sind lediglich drei Beobachtungen von vielen an nur einem Tag am Arbeitsplatz. Ständig ist jemand unzufrieden mit dem was ist, will haben, was er gar nicht braucht oder muss unbedingt Pläne machen, die dann doch nicht aufgehen.

Noch verrückter geht es zwischenmenschlich. Da kenne ich Frauen, die sich einen Mann schnappen, weil er männlich, cool, charmant, voller Humor und eben ein toller Kerl ist. Nach anfänglicher Schwärmerei wird der Mann dann diszipliniert. Es wird an ihm herumgebastelt und ebenso genörgelt. Wenn dieser sich nach jahrelangen Umbauarbeiten resigniert mit seinem Bier aufs Sofa zurückzieht, bejammert und verpönt Frau dann diesen unselbstständigen, nichtsnutzigen Waschlappen. Umgekehrt funktioniert es übrigens auch, dann wenn Männer ihre Frauen plötzlich doch in einer anderen Kleidergröße neben sich sehen wollen, wenn ihre Kochkünste nicht denen von Mutti entsprechen oder wenn das einst geliebte laute Lachen nun peinlich wird.

Hunderte Beispiele gibt es für dieses nie endende Anders-Haben-Wollen, für die stetige Flucht aus dem, was ist und den nie endenden Run auf das, was man gerade nicht hat, aber scheinbar zum Glücklichsein braucht. Das einzige Resultat dieses abnormen Verhaltens werden allerdings ständige Dramen, Jammern, Unglücklichsein und Unzufriedenheit sein. Und genau das ist der Mensch… chronisch unzufrieden. Selbstgewähltes Leid?

Wenn du dich darin wiedererkennst, frag dich einfach mal, woher deine Unruhe und deine Unzufriedenheit kommen. Das habe ich auch getan. Und ich habe nur einen gefunden, der dieses ganze Theater veranstaltet… Mein Kopf, mein Verstand, eben meine absurden Gedanken. Aber das Leben passiert einfach so, ohne uns zu fragen, wie wir es heute gerade gerne hätten und womöglich morgen dann schon wieder total anders. Wenn das klar geworden ist und wir sehen, dass alles ohne unser Zutun geschieht und wir gerade in diesem Moment alles haben, was wir brauchen, stellt sich innerlich so viel Gelassenheit, Ruhe, Hingabe, Leichtigkeit und vor allem Akzeptanz und unglaubliche Liebe zu diesem spannenden Leben ein.

Na klar erwische auch ich mich noch manchmal beim verbissenen Anders-Haben-Wollen. Aber letztendlich erkenne ich doch wieder, dass Wetter einfach nur Wetter bleibt, dass der Braten in Omas geerbten Töpfen am knusprigsten wird und auch, dass Männer die phantastischste Spezies zum Beschmunzeln sind, wenn wir nicht an ihnen zerren.

Und all das darf auch bitte so bleiben, denn es muss und kann letztendlich sowieso nicht geändert werden. Leben geschieht einfach ohne uns.

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