Seit einiger Zeit stolpere ich immer wieder über das Wort „Pflicht“. Da ist die Rede von Pflichtbewusstsein, Verpflichtungen oder seiner Pflicht nachkommen zu müssen. Da sind Menschen, die mir von ihren Verpflichtungen erzählen und auch jene, die mir einreden wollen, was meine Pflicht ist.
Etwas in mir sträubt sich mächtig gegen dieses Wort. Wieder einmal habe ich Google nach einer Definition befragt. Die Antwort: „Pflicht… das Handeln, dem man sich auf Grund bestimmter Normen/Vorschriften nicht entziehen kann.“ Ah ja, aber wer hat diese Normen und Vorschriften festgelegt? Meine Eltern, die Gesellschaft, die Moral, das Gewissen oder womöglich die Menschen in meinem Umfeld? Was ist, wenn ich mich solchen Normen/Vorschriften doch entziehe, wenn sie mir nicht gefallen und sie sich für mich nicht gut anfühlen? Bin ich dann nicht mehr gut?
Pflicht bedeutet für mich, etwas zu tun, was für mich nicht stimmig ist. Es soll lediglich den Vorstellungen anderer entsprechen, die vielleicht gar nicht meine sind. Es bedeutet, ich MUSS bestimmte Dinge tun, so wie man es von mir als guten Menschen eben erwartet. Dabei MUSS ich eigentlich gar nichts, auch nicht immer für alle und jeden gut sein. Ich habe keine Verpflichtungen anderen gegenüber. Vielleicht habe ich Verantwortung, das mag sein. Dann aber handle ich aus Liebe, aus Verständnis und Empathie, vielleicht auch aus Freude… aber meine Pflicht ist es nicht. Denn diese Verantwortung kann ich mir selber aussuchen, die lass ich mir von niemandem aufdrängen.
Ich habe meine Kinder nach bestem Wissen und Gewissen groß gezogen, nicht weil es meine Pflicht war, sondern aus und mit Liebe. Von Montag bis Freitag gehe ich ins Büro und empfinde es nicht als Pflicht, sondern als Freude, weil ich Spaß an diesem Job habe. Wenn ich einem Freund zuhöre, dann nicht, weil es meine Pflicht als Freundin ist, sondern weil ich interessiert bin an diesem Menschen. Auch, einem alten Menschen im Bus meinen Platz anzubieten, ist nicht meine Pflicht. Ich tue es aus Verständnis und Mitgefühl. Genauso wenig ist es meine Pflicht, meinen Partner stets und ständig glücklich zu machen. Wenn er sich mit mir, so wie ich bin, einfach nur gut fühlt, dann ist es das Wunderbarste, was passieren kann, aus dem Gefühl heraus und nicht, weil ich die Pflicht habe, etwas dafür zu tun.
Ständig aus auferlegten Pflichten zu handeln, entspricht nicht dem, was ich empfinde und was ganz tief aus mir heraus gelebt werden will. Es geschieht nicht freiwillig oder ehrlich und ist meistens nicht mit meinem Gefühl und meiner Wahrnehmung konform. Normen, Vorschriften, eben diese Pflichten, werden vielleicht von jenen gebraucht, die verlernt haben, auf ihre eigene Intuition zu achten. Die gegen ihr eigenes Sein ankämpfen, um zu gefallen, um Moralvorstellungen zu entsprechen und um nicht in der grauen, pflichtbewussten Masse aufzufallen. Für sie ist es dann das Größte für ihr Pflichtgefühl und ihr hervorragendes, geradliniges Funktionieren bestaunt und geliebt zu werden.
Okay, ich gebe ja zu, auch ich muss einigen Pflichten in dieser Gesellschaft nachkommen. Die grausigste davon ist für mich übrigens immer noch das Bezahlen der GEZ-Gebühren, obwohl ich keinen Fernseher nutze, sowie allgemein die Willkür von Behörden und Ämtern, der auch ich mich widerwillig beugen muss.
Genaugenommen habe ich allerdings nur eine einzige Pflicht. Ich muss dieses Leben leben. Denn das wurde mir auferlegt, dem kann ich mich nun wirklich nicht entziehen. Aber wenn ich genau das tue, nämlich anzunehmen und zu leben, was jeden Tag gelebt werden will, zu geben, was ich zu geben habe, zu sehen, was gesehen werden will und zu fühlen, was an Gefühl da ist, dann ist auch dieses Leben keine Pflicht mehr, sondern passiert ausschließlich aus Liebe…
… Liebe, der jede Pflicht egal ist, weil Leben jeden Moment einfach so geschieht und sich dabei einen Dreck um Normen oder Vorschriften schert.