Da höre ich sie also wieder, diesen Aussagen: „Meine Eltern sind schuld, dass es in meinem Leben nicht so läuft, wie ich will.“ oder „Mein Partner ist schuld, dass ich nicht mehr glücklich mit ihm bin.“
Und ich überlege, mit welchen Worten ich das etwas entkräften kann. Vielleicht so…
Klar, meine Kindheit war auch alles andere als schön. Alkohol, extreme Gewalt zwischen meinen Eltern sowie exzessive widerliche Orgien, die meine Mutter mit wechselnden Männern feierte und die meine Geschwister und ich miterleben mussten. Aber sind meine Eltern schuld an dem, was später in meinem Erwachsenen-Leben nicht nach meinen Vorstellungen funktionierte? Sie haben Fehler gemacht, massive Fehler, ja das ist wohl wahr. Doch auch ich habe in meinem Leben Fehler gemacht und das mehr als genug. Wahrscheinlich werde ich sie auch weiterhin machen. Mit welchem Recht also räume ich mir selber Fehler ein und gestehe diese anderen nicht zu? War es nicht vielmehr so, dass meine Eltern mit ihrem eigenen Leben nicht zurechtkamen? Wer sagt denn, dass sie uns Kinder nicht trotzdem geliebt haben? Leider kann ich sie danach nicht mehr fragen. Vielleicht wussten sie es einfach nicht besser. Vielleicht waren sie auch nur zu sehr mit sich selbst beschäftigt, mit ihrer Unzufriedenheit und ihrer eigenen nie endenden Jagd nach einem Stückchen Glück, wie immer sie sich das auch vorgestellt haben mögen. Uns Kinder haben sie wahrscheinlich unterwegs einfach irgendwann vergessen und stehen gelassen. Aber ich wurde älter und damit auch alt genug, um das hinter mir zu lassen, meinen eigenen Weg zu gehen und diesen eben auch nicht, ohne Fehler zu machen. Obwohl hier immer die Frage auftaucht: Was sind überhaupt Fehler, wo hören sie auf und ab wann sind es doch nur alles Erfahrungen, die für uns bestimmt sind?
Wie ist es in Partnerschaften? Da wird dem Partner die Schuld gegeben, weil man sich nicht gut fühlt, weil man plötzlich im Alltag mit dem Menschen an seiner Seite so nicht mehr glücklich ist. Aber ist der Partner wirklich schuld? Wie kann ich einem anderen Menschen diese ungeheure Verantwortung übertragen, mich stetst und ständig glücklich machen zu müssen? Wenn ich meinem Partner für mein „Unglück“ die Schuld gebe, dann doch nur, weil sich meine Erwartungen und Vorstellungen nicht erfüllen. Aber waren es auch die von dem Anderen? Ich fühle mich schlecht, weil ich mein Glücklichsein komplett von dem Anderen abhängig mache. Vielleicht habe ich mich dann für meinen Partner vollständig aufgegeben und damit auch meinen eigenen Weg sowie meine eigenen Wünsche. Doch das kann niemals die Schuld des Partners sein und diese sollte ich ihm auch nie einreden.
Ich selber habe damit aufgehört, anderen die Schuld an meinem Leben zu geben. Denn immer, wenn ich Schuld woanders suchte, machte ich mich damit selbst zum Opfer. Und als Opfer habe ich sehr viel gelitten, unheimlich viel. Ich bin raus aus dieser Schuld-Nummer und somit auch raus aus dem Opfer-Sein. Das ist für mich ein unglaublich befreiendes Gefühl. Endlich.
Anderen die Schuld zu geben, sehe ich als eine super Ausrede für eigenes Fehlverhalten, für emotionale Unausgeglichenheit, dafür, wenn ich mit mir und meinem Leben nichts anzufangen weiß oder immer den bequemsten Weg gehe, nämlich den der Anderen. Doch, wessen Schuld ist es dann wirklich, wenn mich dieser Weg nicht mehr glücklich macht?
Ach ja… und nicht zu vergessen… die Schuld für eigenes Verhalten dem Sternzeichen, unter welchem man geboren wurde, zuzuschieben. Ganz tolle Geschichte und die entschuldigt selbstverständlich, wenn ich zum Beispiel ständig, vor lauter Ungeduld mit den Hufen scharrend und hörbar schnaubend, direkt und immer rücksichtslos mit den Hörnern voran, meinen Willen durchsetzen will.
Ich muss mich nicht in Verständnis oder Geduld für irgendjemand anderen üben. Nein, denn schließlich ist nur mein Sternzeichen schuld… der Widder.