In der Dunkelheit hört niemand zu

Wenn der Tag zu Ende geht und die Dunkelheit Stille in diese Welt bringt, sind wir ohne Absprache verabredet. Wenn das Telefon aufleuchtet, weiß ich, dass das Date beginnt.

Dann fangen wir an über unseren Tag zu reden und über dieses Leben, das uns ständig ohne zu fragen packt. Meist lachen und albern wir über uns selber oder den Irrsinn da draußen, aber manchmal verstummt dieses Lachen auch.

Wenn mich außer dir niemand hört, kann ich über meine Erlebnisse reden, kann dich fragen, wenn ich die Menschen oder mich selber nicht mehr verstehe, kann weinen, wenn ich das Gefühl habe, alles um mich herum zerrt an meiner eigentlich so starken Seele. Du hälst meine Ideen nie für verrückt, fragst nicht, welchen Sinn diese machen und lässt manches auch ohne Antwort stehen. Ich brauche dann einfach nur so sein, wie ich in genau diesem Moment sein muss. Du fängst mich so oft dann auf, wenn das Leben mich zu Boden reißt.

Tagsüber sieht mich jeder nur stark und lachend durch eben dieses Leben tanzen, ohne zu wissen, was in mir stumm schreit und ohne zu verstehen, wie ich die Welt dort draußen sehe. Aber nachts lege ich die Maske ab, denn in der Dunkelheit ist niemand da, außer deiner Stimme am Telefon und die verlangt von mir kein falsches Schauspiel.

Ich benutze Kopfhörer, um dich ganz nah bei mir zu haben… als stündest du neben mir. Denn nur so höre ich zwischen deinen Worten auch das, was du über dich nicht erzählst, wenn du mir deine Gedanken und Gefühle beschreibst. Und glaube mir, ich verstehe und weiß mittlerweile mehr, als du jemals vorhattest, mir von dir zu zeigen.

Wenn ich in diesen Nächten bereits im Bett liege, erzählst du mir von dem wundervollen Mond, den du siehst oder von den glitzernden Sternen, welche auf die Erde gefallen sind. Du beschreibst den gnadenlosen Sturm, den laut prasselnden Regen oder die Stille und manchmal hören wir dazu zusammen Musik.

Niemand weiß von unseren Treffen nachts, von den Wünschen und Träumen, über die wir reden. Wir sind wie Schattenwesen, die in der Dunkelheit für ein paar Stunden zueinander finden und bei Tagesanbruch wieder getrennt sein werden. Denn wenn der Morgen beginnt, geht jeder wieder seinen Weg und lebt seinen eigenen Tag.

Ich habe mich oft gefragt, warum und vor wem wir uns gegenseitig in der Nacht verstecken, weshalb wir nicht im Licht zusammen gesehen werden dürfen. Denn wir sind doch schließlich, mit all unserer Leichtigkeit, Lebensfreude und den oft verrückten Ideen, die lodernden Fackeln zwischen so vielen erloschenen Kerzen. Du gibst mir darauf keine Antwort, vielleicht will ich sie auch überhaupt nicht hören, denn wenn am Abend das Telefon aufleuchtet und ich mir die Kopfhörer nehme, spielt sie ohnehin keine Rolle mehr. Dann reden wir wieder, ungesehen und ungehört von der Welt da draußen, über Dinge, die dort auch gar nicht gehört und verstanden werden wollen.

Nur manchmal, ja manchmal, wünsche ich mir, dich im Tageslicht zu treffen, um einfach nur lächelnd einander verstehen zu können…

… ohne dabei ein einziges Wort reden zu müssen.

Kommentar verfassen