Meine Seifenblasen-Welt

Ich bin täglich in dieser Welt unterwegs. Jeden Tag gehe ich arbeiten, verbringe über acht Stunden davon mit Kollegen. Ich treffe Familie, Freunde und lerne neue Menschen kennen. Scheinbar bin ich hier sehr gut integriert. Aber es ist eben nur Schein, denn tatsächlich lebe ich in meiner eigenen Welt. Diese ist anders, so viel kleiner und beherbergt höchstens zwei Handvoll Menschen, die ich wirklich darin mitleben lasse.

Meine kleine Welt ist schwer zu beschreiben oder zu erklären. Sie gleicht einer Seifenblase, in der ich sitze und nach draußen schaue. Dieses Draußen hat kaum eine Chance, mich zu erreichen, selbst, wenn Stürme mich durch die Gegend schleudern. Hier ist kein Platz für großes Weltgeschehen oder -retten, für Fernseher, Nachrichten oder Werbung. Ich kann aus meiner Seifenblase nicht weit schauen. Aber das will ich auch gar nicht mehr. Mir ist nur wichtig, was in dieser hauchdünnen, verschlossenen Kugel, was mit mir und den Menschen, die ich hierher eingeladen habe, passiert. Dieses glasklare Gebilde mag klein erscheinen, und doch ist hier so viel Raum für Gefühl und Gedanken.

Nein, es ist in meinem Zuhause nicht immer nur gemütlich und schön. In dieser Seifenblase bin ich mit mir und allem, was mich ausmacht meist allein. Ich lasse mich in ihr treiben, ohne Einfluss darauf zu haben, in welche Richtung sie mich trägt. Das bedeutet, dass ich immer den Moment, in welchem ich mich gerade befinde, sehe und fühle, meist ungeplant. Er darf einfach kommen, um von mir intensiv wahrgenommen zu werden. Nichts von der verrückten Welt dort draußen findet hier Einlass und kann mich davon ablenken. Deshalb wechseln sich wahrscheinlich ausgelassene Fröhlichkeit und tiefe Traurigkeit manchmal in einem sehr kleinen Zeitfenster ab.

Habe ich eben noch mit dir gelacht, kann ich danach sofort weinen. Vielleicht, weil unser Spaß oder deine Worte, denen ich so aufmerksam zuhörte, mich berührten. Vielleicht weil du als Mensch dich in mein Herz geschlichen hast. Aber dann sind es eben Lachen und Tränen der Liebe.

Habe ich mich gerade noch auf den Sonnenuntergang oder den Blick aufs Meer gefreut, kann mich dieser Anblick im nächsten Moment so weit öffnen und das Staunen darüber mich so ergriffen machen, dass ein paar Tränen fließen. Vielleicht, weil diese Wunder für mich noch nicht selbstverständlich geworden und deshalb so unglaublich wertvoll sind. Dann sind es Lächeln und Tränen der Fassungslosigkeit.

Ich kann mich ungehalten in Euphorie und Hoffnung verzetteln, um plötzlich enttäuscht zu Boden gerissen zu werden. Dann bleibt es ein Beweinen des Schmerzes, der mich gerade verbrennt.

Es sind nie die großen Dinge, die mich verzaubern. Ich freue mich so ehrlich und aufrichtig über kleine Gesten, Aufmerksamkeiten, Überraschungen oder Wertschätzungen und weine, wenn andere diese als nichtig und belanglos abtun. Ich kann das nicht verstehen, denn in meiner kleinen Welt erscheinen sie doch als etwas Großes. Dann sind es Freude und Tränen der Dankbarkeit aber auch des Unverständnisses.

Natürlich gibt es dort draußen Menschen, die es gut mit mir meinen. Sie wollen mich aus meiner kleinen Welt befreien. Sie möchten nicht, dass ich zu hoch fliege und danach so wahnsinnig tief falle. Ich werde beratschlagt und belehrt, wie ich die Balance über meine Gefühle und Emotionen wiedererlange. Eigentlich soll ich sein wie sie. Aber das würde bedeuten, dass ich wieder von dem Sog der Schnelllebig-, Gleichgültig- und Oberflächlichkeit mitgerissen werde. Will ich das? Gestern sagte jemand zu mir: „Dana, bewahre dir deine kleine Welt.“ Ich antwortete, dass ich es dort drin manchmal mit mir selbst nicht leicht habe und mir an manchen Tage wünsche, wieder der Ablenkung durch die Dramatik und den Lärm dort draußen zu erliegen, damit ich meine Gefühle nicht so stark fühle und meine Gedanken nicht zu weit denke, damit ich meine Liebe wieder begrenze und den Verstand über das Herz stellen kann.

Aber vielleicht ist es dafür zu spät. Mein bester Freund sagte mal zu mir: „Du hast den Point of no Return überschritten. Nun gibt es kein Zurück mehr in deine alte Welt.“

Und wer weiß, vielleicht ist es gut, so wie es ist. Vielleicht ist meine kleine total unbeständige Welt gut genug für mich und dadurch riesengroß für zwei Handvoll Menschen, die durch den begrenzten Raum von mir gesehen werden und somit meine uneingeschränkte Liebe, die ehrlichste Freundschaft, die größte Wertschätzung und die stärksten Gefühle erfahren dürfen, weil meine Seifenblase eben sehr klein ist und mein Blick sich auf sie und das Schöne darin beschränkt, unbeeindruckt von den Worten und Ratschlägen der lauten irrsinnigen Welt dort draußen…

… aber dafür beeindruckt und gefesselt von der Schönheit, Eigen- und Einzigartigkeit eines jeden Moments, selbst, wenn er nie bleibt.

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