Die neue Kollegin ist frisch verliebt. Sie strahlt, wenn sie morgens ins Büro kommt und erzählt, wie großartig die Zeit, die Gespräche und auch die Nächte mit diesem Mann sind. Dazwischen summt sie ständig das gleiche Lied. Und doch schleicht sich in diese Euphorie plötzlich der Verstand ein. Sie möchte noch mehr Zeit mit ihm verbringen, während er scheinbar auch gerne für sich allein ist. Sie fragt sich, ob er womöglich nicht genauso wie sie empfindet, ob die Zeit für diese Begegnung gerade ungünstig sei und sie sich eventuell in ihm oder ihren Gefühlen täuscht. Zweifel steigen auf und Angst. Angst davor, dass sich früher erfahrene Verletzungen wiederholen könnten und Sorge, dass nichts so bleibt, wie es gerade ist.
Wie unverschämt böse ist es eigentlich vom Verstand, dieses momentane Gefühl und das Erleben der Liebe in Frage zu stellen? Weshalb ersticken unsere Gedanken das lichterloh brennende Feuer sofort nach dem Entfachen wieder? Warum vernünftig sein, wenn die Unvernunft sich doch gerade so gut anfühlt?
Wir haben eine perfekte Vorstellung von der Zukunft solcher Begegnungen, die bereits beim Kennenlernen wie ein Trailer in unserem Kopf abläuft. Sobald sich jedoch wider Erwarten ein Szenenwechsel einstellt, schaltet der verfluchte Verstand die Alarmleuchten ein und legt augenblicklich das Herz an die Kette. Alles, was nicht unserer eigenen oder uns eingeredeten Vorstellung von Liebe und einem potentiellen Partner entspricht, wird vom Kopf kaputt gedacht. Ich spreche mich davon übrigens nicht frei.
Allerdings bastle ich mir gerade einen Knopf, der Zweifel und Ängste erst einmal stumm schaltet. Ich möchte wundervolle Zeiten mit diesem wahnsinnigem Kribbeln im ganzen Körper nicht mehr verpassen, nur, weil sie irgendwann wieder vorbei sein könnten, nur weil ein Ende mich wieder traurig machen würde. Ich musste erst begreifen, dass nicht alle Menschen, denen ich begegne, dafür gedacht sind, für ewig in meinem Leben zu bleiben. Aber, ich habe die Lektion, sie dann mit Dankbarkeit statt mit Wut und Enttäuschung weiterziehen zu lassen, bereits gelernt. Ja, vielleicht verlässt mich wieder jemand, auf den ich mich doch so sehr verlassen habe. Aber, wenn das passiert, so durfte ich ihn wenigstens eine Zeit lang erleben, erfahren und auch lieben, weil ich mich gedanken- und erwartungslos, spontan und vielleicht sogar etwas sinnbefreit auf ihn einlassen konnte.
Was macht mehr Spaß, als vor lauter Liebe den plappernden Verstand zu verlieren? Wie wahnsinnig hoch kann man fliegen, wenn man sich von der Vernunft, anderen Meinungen, Moral und Anständigkeit nicht am Boden festhalten lässt? Diese Unbeschwertheit unbedacht auszuleben, ist ein echt irres Gefühl. Ich habe einfach mal aufgehört, mir auszumalen, wie etwas zukünftig sein könnte. Wenn es sich jetzt, in diesem Moment, gut anfühlt, dann ist es auch gut. Und wie ich auf das reagiere, was noch geschieht, kann ich mir überlegen, wenn es soweit ist.
Außerdem bin ich der Meinung, dass es nicht fair ist, erfahrene Verletzungen oder Enttäuschungen auf Jeden, der neu in unser Leben tritt, zu projizieren. Vielleicht schafft es auch meine Kollegin, diesen kleinen flatternden Schmetterlingen in ihrem Bauch doch einfach mal wieder die Chance zu geben, frei und vollkommen unkontrolliert herum zu flattern, ganz gleich, wohin die Flugbahn führt…
… damit sie mich noch lange morgens mit ihrem leise geträllerten „Love is in the Air“ zum Schmunzeln bringt.