Let’s talk about Tod

Es passieren Dinge, die uns wieder mal vor Augen führen, dass wir dieses Leben weder dirigieren noch kontrollieren können. Es fegt daher und reißt dich mit. Du hast keine Chance dieser Kraft und dieser Wucht zu entkommen. Es nimmt dir den Halt unter den Füßen und wirbelt dich bis zum Schwindel durcheinander bis du dann da liegst… Hilflos, erstarrt und unfähig einzugreifen.

So etwas ist mir gerade passiert. Da stirbt ein Mensch, der mir viel bedeutet. Er stirbt plötzlich, unerwartet mitten im Alltag, nur kurz, nur ein paar Minuten, denn Ärzte, Medizin und Technik schaffen es, ihn sofort wieder zurück in dieses Leben zu holen. Aber er stirbt zweimal innerhalb weniger Wochen. Das ist so krass und so unbegreiflich, dass es mir den Boden wegreißt. Es gibt keine Worte für diese Ohnmacht und das Gefühl, wenn einem der Bauch und das Herz zugeschnürt werden. Alles steht still, so als ob die Welt aufgehört hat, sich zu drehen. Ringsherum funktioniert alles und alle, man selber aber sitzt wie hinter Glas und ist nur noch Beobachter.

Was tut man in so einem Moment? Welche Worte sind die richtigen? Kann man Verständnis aufbringen? Verständnis für etwas, was unbegreiflich und doch gar nicht zu verstehen ist? Vielleicht Mitleid? Aber wem nützt es denn schon, wenn man mitLEIDet? Mitgefühl? Wie kann ich das mitfühlen, wenn ich so etwas noch nicht selber erlebt habe? Es ist komisch, aber vielleicht ist einfach nur Stillsein erst einmal der richtige Weg. Ich denke, Menschen, denen so etwas geschieht, brauchen keine verzweifelt gesuchten Worte. Selbst, wenn wir ihnen so viele zu sagen hätten, werden wir nicht die richtigen finden. Eventuell ist Fürsorge noch möglich. Dem Anderen die Hand reichen, um ihn zu halten, falls er Halt braucht. DaFÜR SORGEn, dass er gehört wird, wenn er reden will, still zu sein, wenn er schweigen will oder helfen, wenn er Hilfe will. Mehr können und brauchen wir nicht tun.

Ich selber habe so wahnsinnig geweint, geflucht, war so erschrocken, wütend und traurig. Allerdings musste ich feststellen, dass all diese Emotionen und Gefühle doch nur meins waren. Es waren meine eigene Angst, meine Sorgen, meine Traurigkeit und auch mein Gedankenkarussell, nicht die des Anderen. Ich wollte das Thema Tod verdrängen und fürchtete mich davor. Wie verrrückt, nicht wahrhaben zu wollen, dass mit großer Wahrscheinlichkeit auch ich früher oder später auf ihn treffen werde.

Dort in der Klinik aber lag jemand, der weder mein Mitleid, mein Mitgefühl oder meine Traurigkeit und Hilflosigkeit brauchte. Da tummelten sich im Krankenbett dicht beieinander so viel Stärke, innere Ruhe und so viel Leben, immer noch Humor und verrückte Ideen, trotz des erfahrenen Todes und dessen, was sich nun davon erholen muss.

Ich konnte nicht anders, als endlich zu erkennen, dass der Tod nur für jene unfassbar ist, die noch nicht wahrhaben wollen, dass er zu uns gehört. Er wird zum Tabu-Thema, weil er uns traurig macht. Allerdings nur uns, nicht den, der vom Leben an den Tod übergeben wird. Aber warum darüber schweigen? Denn dieser Gevatter wird uns niemanden nehmen können, der sich in unserem Herzen einen Platz geschaffen hat. Ja, er schnappt sich dessen Körper, den wir einst umarmen konnten, die Stimme, die mit uns lachte, die Augen, die uns ansahen, aber niemals das, was uns wirklich an diesem Menschen begeistert hat. Sein Herz, seine Seele, sein Bewusstsein… egal, wie wir es nennen, genau das wird hier bleiben, bei uns bleiben.

Leben und Tod gehen immer nebeneinander und manchmal sind sie sich scheinbar noch nicht ganz einig, wer von ihnen an der Reihe ist, uns mitzunehmen. Aber dass jeder von ihnen unerwartet und erbarmungslos zupacken kann, habe ich verstanden. Auch, dass wir nichts dagegen tun können, gar nichts, außer zu akzeptieren…

… furchtlos, ohne Angst und mit einem leichten Lächeln.

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