Ich wurde unerwartet in einen Gespräch gefragt, ob mir Sex in einer Partnerschaft wichtig wäre. Man könnte meinen, diese Frage wäre einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Aber mir fiel das gar nicht so leicht. Denn es tat sich vor der Beanwortung für mich eine ganz andere Frage auf: Wo fängt denn Sex an? Meinte mein Gegenüber dieses übliche Wenige-Minuten-Geschehen? Gleicher Ort, gleiche Uhrzeit, Routine? Ich hab nicht gefragt, sondern versucht, mich zu erklären, bevor ich antwortete.
Bei dem Wort Sex denke ich an Berührung und Hingabe. Berühren können mich schon Augen, die mich anstrahlen und die Freude an mir haben, selbst, wenn ich noch bekleidet bin. Ist schon ein festes geborgenes Halten und Zulassen des selben Hingabe und somit der Anfang von Sex? Beginnt Sex beim bloßen wohligen Schaudern, wenn man die warme Haut des andere ganz nah an der eigenen spürt? Gehören Gänsehaut und leichtes Zittern, wenn die Hände des anderen über meinen Körper gleiten schon dazu?
Sex bedeutet für mich auch, dass mein über fünfzig Jahre alter Körper, dem mittlerweile das Alter, viele Fressattacken, unzählige Diäten sowie zwei Geburten anzusehen sind, nicht nur angefasst, sondern angenommen wird, dass ich das Gefühl habe, in dem Moment komplett ohne ihn zu sein, weil nicht er, sondern ich es bin, die gewollt und über deren komplett nackte Seele gestreichelt wird.
Alles, was darauf folgen kann, ist für mich eine Draufgabe. Mitgehen und mitfließen, nur noch zulassen, wenn die Körper zweier Menschen ohne Verstand und Gedanken tun, was sie erfüllt, was sie sich füreinander öffnen und für den Moment eins werden lässt, geschieht dann von ganz allein, ohne dass ich noch darüber nachdenken muss, ob es mir wichtig ist.
So wird das Zusammensein nicht nur zu einer Meisterprüfung, bei der sich jeder für ein paar Minuten verausgaben und sein Bestes geben muss. Dann wird es okay sein, dass ich in meinem Alter auch schon mal sage, wie es gar nicht geht, weil die alltäglichen Schmerzen in diesem Körper bereits gewisse Lagen und Positionen nicht mehr zulassen. Ich möchte lachen dürfen, falls demzufolge das ein oder andere Experiment schief geht, weil ich denke, dass auch Spaß dazu gehört und man nicht immer ein allzu ernstes Zinnober daraus machen sollte.
Wenn ich all das als Sex für mich definieren darf, dann kann ich die mir gestellte Frage leicht beantworten. Verstandraubende Nähe und ebensolche Berührungen, gepaart mit totaler Hingabe aus dem Vertrauen heraus und am liebsten mit Lachen und Spaß sind mir wichtig.
Ja, Sex auf dieser Ebene ist mir wichtig!