Ist doch ganz einfach

Es sollte so leicht sein. Diese Geschichte abhaken, ad acta legen und weitergehen. Sagt mir ja auch jeder, dass es so einfach wäre.

Also, ich bemühe mich wirklich. Es gibt diese Tage, an denen es mir nach einer schlaflosen Nacht leicht fällt, morgens vor dem Spiegel zu stehen und mir immer wieder zu sagen, dass du gar nicht so toll bist, wie ich dachte, dass du sowieso nicht gut für mich warst, dass du es nicht wert bist, meine Nächte mit Gedanken an dich zu verplempern und dass du mich ohnehin nicht verdient hättest. Das funktioniert manchmal ganz gut. Ich kann wieder lachen und diese Tage machen dann auch wieder Sinn. Allerdings gibt es immer noch jene Tage, an denen ich weiß, dass ich mich mit diesen blöden Sprüchen und meinem Lachen selbst belüge. Das sind die Tage, an denen die Bilder von uns auftauchen, ohne dass ich sie hervorgekramt habe. Sie sind einfach da.

Diese Stadt ist so klein und ich war mit dir überall dort, wo es schön ist, dort, wo ich auch ohne dich schon immer gerne gewesen bin. Da ist immer noch der See hinterm Haus, an dem wir vor dem Grill saßen, wo wir Wein tranken oder nachts unsere Klamotten auf dieser einen Bank ablegten, um ungesehen nackt ins Wasser zu gehen. Ich erinnere mich, wie still der See dalag und unsere Köpfe wie aus einem Spiegel hervorlugten. Auch dieser große Stein liegt immer noch im Wasser. Du saßest darauf und schautest auf den See. Als ich dich dabei fotografierte, sahst du so zufrieden und glücklich aus. Und ich war es auch.

Ständig lauf ich an dem kleinen Imbiss vorbei, in dem wir zusammen den besten Dönerteller der Stadt aßen; dabei redeten, lachten und dieses furchtbar leckere Getränk schlürften, dessen viele Kohlensäure mir immer den Bauch so sehr aufblähte. Ich schaffe es nicht mehr, hineinzugehen und ich habe dieses Zeug seitdem nie wieder getrunken.

Ich kann am Strand nicht mehr dorthin gehen, wo wir die ganze Nacht im Kerzenlicht saßen, so viel redeten, Musik hörten und Spaß hatten, bevor wir uns im Schlafsack ganz eng zueinanderlegten. Du wolltest mir so nah sein, bis es dir nun irgendwann viel zu nah wurde.

In der Innnenstadt sitze ich so oft an dem Tisch vor dem Bäckereigeschäft, dort, wo wir nach dieser zauberhaften Strandnacht zerzaust und noch benommen in aller Frühe als erste Kunden unseren Kaffee tranken. Dort wo du nicht aufhörtest, deinen Arm um mich zu legen, mich einfach nur zu streicheln und ich noch das Gefühl hatte, alles sei ehrlich und echt.

Es scheint, als wäre ein Diaprojektor in meinem Kopf, der bei jedem Schritt, den ich gehe, eine Erinnerung durchschiebt. Wann hört das auf? Sie haben doch alle gesagt, es wäre so leicht. Ich müsste wahrscheinlich diese Stadt abfackeln und mit ihr all die verdammten Orte, an denen die Bilder von uns kleben. Warum gehe ich eigentlich nicht einen anderen Weg, als den an unserem Imbiss vorbei? Warum spaziere ich nicht um einen anderen See? Sind doch genug da. Warum trinke ich nicht in einem der vielen weiteren Straßencafés meinen Kaffee? Warum hoffe ich, dich nie zu treffen und suche doch ständig dein Gesicht in der Menschenmenge?

Vielleicht gehe ich immer wieder dieselben Wege, um zu testen, ob die Bilder in meinem Kopf mit der Zeit verblassen. Vielleicht will ich spüren, ob der Schmerz schon nachlässt. Vielleicht braucht es aber auch die Erinnerungen solange, bis ich mir meine eigenen Lügen oft genug eingeredet habe, um sie zu glauben. Ganz egal, wie es ist, ich bin mir sicher, dass ich eines Tages den Stecker dieses verflixten Diaprojektors schmerzfrei aus meinem Herzen ziehen werde. Und wer weiß, eventuell schaffe ich das sogar, während ich auf der Bank am See sitze oder wieder mal an „unserem“ Tisch vor dem Bäckereigeschäft allein meinen Kaffee trinke.

Und vielleicht ist es dann wirklich ganz einfach und ohne ein Warum.

Kommentar verfassen