Ich weiß, wie schwer es an den meisten Tagen für dich ist. Ich weiß auch, wie hilflos du dich dieser Krankheit ausgeliefert fühlst, in dem Wissen, dass sie bleibt. Du sprichst so oft vom Tod und wie sehr du dich auf ihn freust. Da sind die wahnsinnigen Schmerzen, die Kraftlosig- und Müdigkeit, die dich unsagbare Schwere fühlen lassen und dein Tod erscheint dir als Ausweg aus all dem.
Immer wenn du sterben willst, höre ich dir zu. Aber ich werde dich in deinen Gedanken und diesem Wunsch nicht aufhalten, egal, was er in mir auslöst. Denn ich weiß, dass du nicht wirklich sterben möchtest. Du willst bloß so nicht mehr weiterleben.
Ich kann mich in deine Todessehnsucht nicht einmischen. Ich kann dir auch nicht meine Lebensfreude injizieren. Ich kann deine Hilflosigkeit nicht tragen und dir auch nicht ein anderes Leben geben. Ich kann dich nicht retten und ich kann dich nicht aufhalten. Ich kann nur da sein.
Es ist mir möglich, dich an deinen guten Tagen zu begleiten. Ich beboachte dich so gerne still lächelnd, wenn du mit strahlenden Augen neben mir am See sitzt, das Glitzern der Sonne im Wasser beobachtest und dich von ihr streicheln lässt. Ich kann im Gras lümmelnd mit dir ausgelassen Wein trinken, um das Leben in diesem Moment doch noch zu feiern. Wir können Spaß haben und über uns lachen, wenn anschließend nachts der Nachhauseweg mit dem Fahrrad einem endlosen Slalom gleicht. Ich kann mit dir unvernünftig und übermütig sein, weil wir keine Ängste mehr haben, auch nicht vor dem Tod. Ich fliege an diesen Tagen mit dir, ganz gleich, welche Richtung du wählst. Meine Lebendigkeit trägt deine Liebe zum Leben in diesem Augenblick ein Stückchen mit.
Aber immer wenn du sterben willst, lande ich auch wieder mit dir. Auch hier kann ich dich nur begleiten und an deiner Seite sein. Ich habe nicht das Recht, dich von deinem Weg zu reißen oder festzuhalten. Ich ertrage nicht, was du erträgst und deshalb erlaube ich mir auch nicht, dich mit Worten von meinen Gedanken und meinem Fühlen zu überzeugen. Doch vielleicht kann ich ein winziges Licht sein, dass für dich in den dunklen Tiefen schwerer Tage ein wenig leuchtet. Ein kleiner Funken, der dir dort, wo der Irrgarten deiner Gedanken scheinbar keinen Ausweg hat, zuwinkt.
Weißt du, wir werden beide sterben. Ja, du vielleicht etwas früher als ich. Du hast dem Tod deine Tür bereits freudig geöffnet; ich halte meine noch fest verschlossen.
Aber immer wenn du noch Leben spüren und erfahren willst, halt meine Hand und nimm mich bitte mit. Lass uns in den Momenten weiterhin lachen und albern sein, so, als wäre deine Welt noch in Ordnung.
Und immer wenn du sterben willst, lass mich an deiner Seite bleiben, damit auch ich deine Wärme noch ein wenig fühlen und dabei deine Hand halten kann, ohne mich an ihr festzuklammern.
Ich verspreche dir, wenn du dann stirbst, werde ich dich loslassen, damit du den Weg, auf den du dich so sehr gefreut hast, ganz leicht gehen kannst…
… während sich mein Herz und meine Seele (wenn auch weinend) auf unser Wiedersehen irgendwann freuen.