Immer schön (Mit-) Gefühl

Meine Kollegin und ich analysierten heute, weshalb uns beiden manche Ereignisse oder Menschen, die uns begegnen, so nah gehen, dass es richtig weh tun kann. Sie meinte, wir müssten etwas ändern, indem wir uns nicht mehr von unseren Gefühlen leiten und kontrollieren lassen. Ich musste mir kurz vorstellen, wie das wäre, um dem dann zu widersprechen.

In diesem Sommer musste ich eine Entscheidung treffen. Die Situation, die sich auftat, ließ keine Zeit, um lange nachzudenken. Da waren Menschen, die Hilfe brauchten. Dringend und sofort! Mein Verstand spielte erstmal sämtliche Eventualitäten durch. Er wankte zwischen schlau und unklug, zwischen richtig und falsch, zwischen gut und schlecht. Als er mich dann förmlich anschrie, ich solle es besser sein lassen, weil die Geschichte für mich wieder im Desaster enden würde, hatte mein Bauchgefühl schon längst entschieden, es zu tun. Und ich tat es! Großzügig öffnete ich mein Heim und mein Herz. Für einen Sommer.

Pünktlich zu Beginn des Herbstes sitze ich nun allein in einem Scherbenhaufen. Die vergangenen Wochen haben mich emotional, finanziell und auch körperlich zu Boden geworfen. Ich habe mich unüberlegt in jede Richtung verausgabt, quasi aus dem Bauch heraus ruiniert. Mit meiner Hilfe, meinem Mitgefühl und auch meiner Liebe habe ich es etwas übertrieben. Doch während ich mir selbst in diesem Dilemma gerade ziemlich hilflos gegenübersitze, muss ich trotzdem schmunzeln. Denn, wenn ich von Anfang an auf meinen Verstand gehört hätte, gäbe es diese Trümmer nicht. Dabei spiegelt jede einzelne Scherbe, die ich nun aufsammle, einen unvergesslichen Moment wieder. Aus vielen hallt noch das laute Lachen dieses Sommers (meist über die Lachenden selbst). Da sind die Scherben der miteinander intensiv verbrachten Zeit. In einigen rauscht noch das Meer, strahlt die Sonne und klebt der Sand des Strandes. Andere flüstern nochmal die Worte, die gesagt wurden. Da sind auch jene Trümmer, die an verrückte Nächte unter sternenklarem Himmel erinnern. Einige Bruchstücke hebe ich allerdings nur ganz vorsichtig auf, weil sie vom kurzen Feuer der Liebe nachglühen und ich mich an ihnen nicht schon wieder verbrennen möchte.

Vielleicht wird es noch einige Tage, Wochen oder sogar Monate dauern, bis meine Seele geflickt, vor allem mein Konto saniert und mein Körper wieder etwas schmerzfreier ist. Alles hat seinen Preis und das ist nun wohl die Rechnung, die ich für meine Entscheidung zu begleichen habe. Aber ich werde das schon hinbekommen. Dass ich hier gerade ganz allein aufräumen muss, liegt eben daran, dass Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Freundschaft, Loyalität und Vertrauen nicht immer für alle Menschen die selbe Bedeutung und Wertigkeit wie für mich besitzen. Auch diese Lektion hat mich der vergangene Sommer praxisnah gelehrt und sie ist ihren Preis allemal wert.

Natürlich bin ich an manchen Tagen traurig. Wenn man nicht so genau weiß, wie man aus dem selbst verursachten Schlamassel wieder herauskommen soll, kann sich schon etwas Verzweiflung breit machen. Aber ich vermag trotz allem auch über mich zu lachen, weil ich mich sehr gut kenne und ganz genau weiß, ich würde immer wieder das Selbe tun und meinem Gefühl, statt dem vorschnell urteilenden Verstand folgen, selbst wenn es sich auch nur für einen kurzen Moment richtig anfühlen und danach sofort wieder im totalen Chaos für mich enden würde. Ich bereue nie, wofür ich mich einmal entschieden habe!

Die einzige Frage, die es nun zu Beginn dieses Herbstes zu beantworten gilt, ist die, ob es mir gut tut, jede einzelne Scherbe und damit jeden schönen Augenblick noch einmal anzufassen oder ob es schlauer und einfacher wäre, einen Besen zu besorgen, um alles zügig beiseite zu kehren.

Ich denke, ich werde dazu einfach nochmal mein Bauchgefühl befragen.

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