Ein Liebesbrief an die Freundschaft

Wie lange ist es her, dass wir zusammen die Schulbank drückten? Wie viele tausend Zettelchen waren es, die wir uns während der Unterrichtsstunden gegenseitig zugeworfen hatten? Wie oft durfte ich eigentlich damals auf deinem Moped mitfahren?

Ein Lächeln fliegt mir über das Gesicht bei diesen Fragen. Ja, es ist wirklich über drei Jahrzehnte her, dass ich als Teenager so unheimlich in dich verknallt war, so wie es eben Teenager-Mädels sind. Als wir verschiedene Richtungen einschlugen, um das Leben zu rocken, dachte ich, dass wir uns nie wiedersehen. Ja, manchmal habe ich in all den Jahren an dich gedacht und mich gefragt, wo du bist, was du tust. Aber eben nur manchmal und auch nur ganz kurz. Und plötzlich tauchtest du wieder in meinem Leben auf. Ich freute mich so wahnsinnig über deine unerwartete Nachricht in diesem Social Network an einem ganz normalen Arbeitstag. Ich las, sprang am Bürotisch auf und hüpfte vor Freude kreischend durch das Büro. Ja, du warst wieder da.

Wir hatten uns so viel zu erzählen, staunten, was bei dem anderen alles so passiert war in der langen Zeit und irgendwie war es für mich, als ob wir einfach dort weitermachen, wo wir vor dreißig Jahren aufgehört hatten. Ich hatte nicht einen Moment das Gefühl, dass ich dir etwas vormachen oder mich verstellen müsste. Das Vertrauen von damals war einfach wieder da, nein… es war noch immer da, war wohl nie ganz weg.

Weißt du eigentlich, wie großartig es ist, dich heute als besten Freund zu haben? Niemanden kann ich mit mir so ungestraft nerven, wie dich. Alle Launen, Emotionen und Gefühlsausbrüche erträgst du. Du hörst mir zu und sagst immer, was ich hören muss, selbst wenn ich es lieber anders hören will. Du bist der, dem ich auf die Frage, ob es mir gut geht, immer ehrlich antworten kann, weil du mir das Gefühl gibst, dass es dich wirklich interessiert. Du nimmst mich ernst, wenn ich mir selber nicht mehr glauben kann und du bleibst an meiner Seite, wenn andere wieder mal gegangen sind.

Du warst es, der in meinen ganz dunklen Momenten für mich da war. Ja, du standest mit Selbstgekochtem vor der Tür, als mich Liebeskummer so zu Boden warf, dass ich das Essen und mich komplett aufgegeben hatte. Du hast mich an diesen furchtbar einsamen Feiertagen zu dir geholt und mir dann einen wunderschönen Weihnachtstag gezaubert. In diesen Zeiten bringst du mir ein wenig das Lächeln zurück. An meinen verrückten Tagen ziehst du mich aber auch schnell mal wieder auf den Boden der Tatsachen zurück, wenn ich vor lauter Lebensfreude und Übermut abhebe.

Nein, wir sind nicht immer einer Meinung, was dieses Leben angeht und trotzdem streiten wir nie. Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir uns gegenseitig so sein lassen können, wie wir sind.

Richtig interessant und unverständlich ist diese wundervolle Freundschaft vor allem für die Menschen dort draußen. Es bringt mich so herrlich zum Schmunzeln. Wenn sie ein Foto von dir sehen wollen, bekommen sie eins zu sehen. Du hast keine Ahnung, welche Frau dich schon gern genommen hätte. Sie finden dich schön. Dabei frage ich mich immer, wie sie wohl deine Schönheit sehen können, nur auf einem Foto und ohne ein Wort mit dir gesprochen zu haben. Ich kann nicht sagen ob dein Äußeres schön ist. Denn mir ist egal, wie du aussiehst. Ich weiß nur, DU bist für mich schön… dort drinnen… in dir. Natürlich fragen sie auch, warum wir beide uns nicht als Paar zusammentun oder, wann wohl bei uns die Hochzeitsglocken läuten. Ich habe wirklich sehr viele Male über das Gerede gelacht, aber sie stellten diese Fragen schon so oft, dass ich irgendwann selber mal darüber nachgedacht habe. Ich fand jedoch ziemlich schnell eine Antwort. Wenn das Leben gewollt hätte, dass wir anders zusammengehören, dann hätte es dafür gesorgt. Ich bin der Meinung, es hat aber etwas viel Schöneres mit uns vorgehabt und uns deshalb unsere Freundschaft geschenkt. Und jeder, der anderes dabei denkt, hat so etwas wahrscheinlich noch nie erleben dürfen.

Nur manchmal, mein Freund, tut mir diese Freundschaft auch schrecklich weh… Immer dann, wenn du diese dunklen Stunden oder Tage hast und ich dir nicht helfen kann, wenn ich so viel Kraft und Humor brauche, um dann auch für dich da zu sein, aber mit meinen Ideen, Ratschlägen und meiner Lebensfreude gegen Mauern laufe. Ich frage mich dann, ob ich auch dir eine genauso gute Freundin sein kann, wie du für mich der tollste Freund bist. Ich weiß es nicht genau.

Doch ich verspreche dir, dass ich es versuche… vielleicht nicht perfekt, aber dafür jederzeit, immer ehrlich sowie aus tiefstem Herzen und das mindestens für die nächsten dreißig Jahre.

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