Die leise sind

Ich bin sehr erstaunt, wenn Menschen mich fragen, was mit mir nicht in Ordnung sei. Ich wirke traurig und was ich schreibe, erscheint ihnen depressiv. Ein wenig schmunzel ich dann in mich hinein, denn ich bin gewiss nicht depressiv.

Es ist nur so, dass ich manchmal in Sphären schwebe, in die mir kein anderer folgen kann oder will. Ich schwimme auch oftmals gegen den reißenden Strom von Gefühlen, gegen die ich jedoch gar keine Chance habe. Und zeitweise ist der Schmerz, den ich in mir trage so groß, dass ich davon müde werde; in einigen Zeiten auch schonmal des Lebens müde. Dann bleibt mir nichts weiter übrig, als mich einfach kampflos in all das fallen zu lassen. Ich ziehe mich zurück und werde leise, damit ich sie wieder hören kann, die Stimme des Lebens, die scheinbar so weit entfernt ist und doch so lange nach mir ruft, bis ich mich an sie erinnere.

Wenn du mich dann so still erwischst, spiele ich vielleicht gerade nur mit den morgendlichen Sonnenstrahlen, rekel mich wohlwollend im Wind, der mich umarmt, tanze im Geist zur Musik der Wellen im Meer oder bewundere das Farbenspiel der untergehenden Sonne. Warum sollte ich laut darüber reden? Würdest du mein Staunen über die Schönheit und den betörenden Duft des Lebens verstehen? Hast du dafür Zeit? All das ist es nämlich, was mich wieder hebt, wenn ich gefallen bin und mich trägt, wenn mir alles zu schwer wird. Das bleibt auch bei mir, wenn niemand mehr da ist. Dort fühle ich mich gut aufgehoben und frei von all dem lauten Gewusel dieser Welt, welches mich von dem ablenken könnte, was gerade mit mir geschieht. Ich kann mich selbst nur da, wo ich still bin, hinterfragen und spüren sowie Antworten finden, die mir sonst niemand geben kann.

Weißt du, leise Menschen wie ich sind nicht krank und depressiv. Im Gegenteil. Wir sind wahnsinnig verliebt, verliebt in das Leben. Allerdings nicht in das, was uns täglich als erfülltes Leben präsentiert wird, sondern in das wirkliche Leben, welches wärmt, fließt, rauscht, stürmt, blüht, aber auch wieder vergeht, ohne dabei Lärm zu machen.

Besonders schön ist es übrigens, ebensolchen leisen Menschen zu begegnen. Man braucht sich ihnen nämlich nicht mehr erklären. Sie verstehen einen, ohne dass man sprechen muss. Sie sehen das Selbe, ohne dass man darauf zeigen muss. Sie erkennen sich gegenseitig, ohne dass man erst Masken abnehmen muss. Sie halten sogar das gemeinsame Leise-Sein aus.

Und glaub mir, bei solch einer Begegnung kann es dann sogar laut werden. Wenn diese Menschen gemeinsam das Leben feiern, färbt es sich bunt in ihrem Lachen und ihrem Spaß. Es formt leuchtende Ballons aus ihren Ideen und ihrer Freude. Sie tanzen ausgelassen in dem Vertrauen und der Liebe, die sie immer wieder dort finden, wohin ihnen manch anderer eben noch nicht folgen kann oder will…

… in der Stille und dem Leise-Sein, im Leben.

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