Ankommen

Hast du eigentlich mitgezählt, wie oft wir uns in den letzten Jahren begegnet sind und wie oft wir uns wieder verloren haben? Wie viel Zeit haben wir mit Lachen, Gesprächen, Zuhören, Ideen und einer Menge Verrücktheit verbracht? Wie lange habe ich aber auch jedes Mal geweint, wenn du lautlos wieder verschwandest?

Nach den letzten Tränen musste ich dich endlich mit Gewalt aus meinem Kopf reißen. Die Gedanken an dich hätten sonst irgendwann erbarmungslos meinen Verstand aufgefressen. Nur die Erinnerungen, diese großartige Liebe und die Dankbarkeit für dich schloss ich damals ganz tief in meinem Herzen ein. Dort sollten sie still für immer bleiben. Nur bei mir. Und den Schlüssel zu dieser (unserer) Einzigartigkeit warf ich weit weg in den Lärm meines Alltags.

Nun bist du plötzlich wieder da. Einfach so. Genau wie all die anderen Male zuvor, kamst du ohne Ankündigung, ohne Vorwarnung, ungefragt und ungebeten zurück in mein Leben… und ich in deins. Niemand versteht warum. Auch wir nicht. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, dich nicht mehr mit meinen Augen von damals zu sehen, nicht mehr zu fühlen, was nicht sein soll und erst recht nicht, dir so nah zu kommen, dass ich erneut lichterloh brenne. Aber, es nützte nichts, dass ich einst den Schlüssel so weit weg warf. Dieses Schloss, da drin in meinem Herzen, sprengte sich von ganz allein und alles was ich so sorgfältig vor dir, vor der Welt da draußen und auch vor mir selber so gut versteckt hatte, strömte wieder hervor… die vielen Erinnerungen, die Dankbarkeit und diese bodenlose Liebe, die nie etwas anderes wollte und konnte, außer zu lieben.

Und jetzt? Die Weinflaschen liegen im Sand. Am Himmel strahlt ein Lichternetz aus Sternen. In der Dunkelheit schlagen die Wellen leise flüsternd an den Strand. Und wir beide liegen ganz dicht zusammen, mittendrin in dieser Sommernacht, sprachlos und staunend darüber, was gerade mit uns passiert. Dort, wo der laue Wind vom See meine nackte Haut nicht berühren und streicheln kann, tust du es und ich weiß nicht, ob es wieder nur einer dieser unzähligen Träume ist, die ich so oft von uns geträumt habe.

Obwohl sich gerade alles so wunderschön und richtig anfühlt, weine ich manchmal für mich allein. Ich weine um die vertrödelte und verpasste gemeinsame Zeit. Ich bin so unsagbar traurig darüber, über welche Steine uns das Leben zwischenzeitlich stolpern ließ und was diese Stürze mit uns gemacht haben. Ich weine aber auch ein wenig, weil unsere gemeinsame Geschichte mich immer wieder so sehr berührt. Ja, ich weine um und wegen uns.

Während du mich fest im Arm hälst, bete ich dieses Leben an, dass es nach all der Zeit die Nase davon voll haben möge, uns ständig auseinanderzureißen und dann wieder zusammenzubringen. Ich wünsche mir, dass es aufhört, uns unaufhörlich mit seinen Stürmen in unterschiedliche Richtungen zu blasen, nur damit wir irgenwann erneut mit einem Knall voreinander aufschlagen. Denn der ungeheure Schmerz und die vielen brennenden Tränen auf dieser sich ständig wiederholenden Route haben mich so wahnsinnig müde gemacht. Ich will nicht weiterreisen!

Aber vielleicht, wenn wir Glück haben, wird das Leben ja diesmal endlich der Liebe lächelnd zuzwinkern und flüstern:

„Du hast all meine Unwetter überstanden und nun darfst du bei den beiden ankommen und auch bleiben.“

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