„Ich bin nicht mehr glücklich.“, „Ich habe gar keinen Spaß mehr.“, „Was macht es angesichts der Weltlage noch für einen Sinn, meinen Garten zu bestellen?“, „Man kann ja nichts Schönes mehr tun.“
All diese Sätze höre ich in letzter Zeit in Gesprächen sehr oft. Nein, ich höre sie eigentlich seit ca. zwei Jahren. Menschen empfinden kein Glück mehr, keine Freude. Fast schon lethargisch warten sie auf Veränderung oder, wie sie sagen, die gewohnte Normalität. Für diese kollektive Sinnlosigkeit des Lebens gibt es eine Verantwortliche. Die Angst!
Diese kleine (oder große) fiese Angst hat Menschen sowie deren Lebensfreude und -lust stagnieren lassen. Mittlerweile für über zwei Jahre! Dass sie sich aus dem Staub macht, ist auch noch nicht absehbar, denn sie hat viele Ableger, die nachwuchern. Eine Angst löst nahtlos die nächste ab.
Hört sich verrückt an, aber aus lauter Angst um ihr Leben vergessen die Menschen offensichtlich, dass sie sterben werden. Ja, wir werden sterben. Das ist gewiss. Warum also sollte ich der Angst dann so viel meiner begrenzten Lebenszeit schenken?
Nun ja, wir wurden von klein auf an gut gefüttert, um uns in solchen Situationen wie in den vergangenen Jahren ausgehungert und leer zu fühlen. Wir wurden schließlich stets hervorragend bespaßt, unterhalten und abgelenkt. Auch durch Angst. Um uns nicht mit uns selbst beschäftigen zu müssen, haben wir gut bezahlt. Gekostet hat es uns unser Selbst; unsere ureigene Lebendigkeit und unsere Verbundenheit mit dem tatsächlichen, wahren Leben.
Ob ich denn keine Ängste habe? Natürlich habe ich sie auch. Aber ich räume ihnen nicht so viel Raum ein. Wenn ich das täte, wäre auch in mir kein Platz mehr für meine Ideen, Träume und Neugier auf das Leben. Obwohl mein Herz noch schlägt, wäre ich dann bereits tot.
Stattdessen habe ich in den vergangenen zwei Jahren, wunderbare Momente erlebt. Vielleicht sogar mehr als je davor. Diese fand ich in purer Einfachheit: Barfuß auf Wiesen oder am Strand, beim Bestaunen von Sonnenauf- oder -untergängen, in Nächten mit Wein und inspirierenden Gesprächen, die in ihrer Weite und Tiefe keine Begrenzung kannten. Ich spürte so sehr die Hingabe, aber auch die Demut vor dem Leben, was mir geschenkt wurde. Meine Lust und meine Freude am Hier-Sein hielten in ungewöhnlichen Zeiten nicht inne, sondern wurden dadurch sogar immer mehr entfacht. Manche dieser fantastischen Augenblicke erschuf ich mir allein, andere wiederum mit Menschen, die ebenso den Mut und die Kraft haben, über ihre Ängste hinwegsteigen zu können.
Und etwas ganz Absurdes, vermeide ich strikt. Ich lade die Angst nicht noch freiwillig allabendlich auf einem großen Bildschirm zu mir ein. Warum ausgerechnet jene Menschen, deren Angst bereits Teile ihres Lebens auffrisst, sich täglich davon noch mehr zerfleischen lassen, kann ich nicht verstehen. Vielleicht brauchen sie es als eine Art Bestätigung, die ihre Angst rechtfertigt. Vielleicht ist es aber wieder nur eine bekannte und gewohnte Ablenkung, um sich selbst nicht spüren und mit sich selbst langweilen zu müssen. Ich weiß es nicht und muss das auch nicht verstehen.
Ich wünsche aber jenen, die immer noch vor Angst erstarrt hoffen und auf ihre gewohnte Normalität warten, dass sie sich öfter an den eigenen sicheren Tod erinnern. Vielleicht finden sie dabei zu ihren Fähigkeiten, Potentialen und ihrer individuellen Kreativität zurück; in sich und unabhängig von den Umständen im Außen. Es wäre großartig, wenn sie ihrem wahren Kern, ihrer Kraft und ursprünglichen Freude dabei wieder begegnen könnten.
Wir werden sterben. Du wirst sterben. Ich werde sterben. So oder so. Früher oder später. Aber jetzt gerade bin ich lebendig. Heute kann ich Unfug treiben, über Blödsinn lachen, in Abenteuer aufbrechen, meine Sehnsüchte wahrnehmen, Menschen zuhören und umarmen, den Wind im Gesicht fühlen, dem Wellenrauschen lauschen, laut albern oder auch still große Träume träumen. Heute kann ich alles, wenn ich mich nicht ängstlich in eine Ecke des Lebens kauere.
Nur die absolute Klarheit darüber, dass ich sterben werde, lässt mich impulsiv und leidenschaftlich leben. Und dabei lässt meine lebenshungrige Seele, egoistisch wie sie ist, kaum Platz für Angst vor dem Tod, der mich unumstritten sowieso eines Tages mit sich nehmen wird.