An die Frau, die unsichtbar bleibt

Du hast mir von dem Mann erzählt, von dem, den du so sehr liebst. Von dem Mann, der dich brennen und deine Seele tanzen lässt. Wenn du von ihm redest, strahlen deine Augen und dein Herz kann man leuchten sehen. Er hat dich vor vielen Jahren schon verzaubert und dieser Zauber hält an. Und doch bist du allein. Allein in den Nächten, an den Wochenenden und auch an den Feiertagen… immer dann, wenn er zuhause ist. Denn sein Zuhause ist nicht bei dir, sondern bei einer anderen Frau.

In all den Jahren hast du so oft gehofft und gewartet, dass er an diesem Abend nicht geht sondern bleibt, endgültig. Doch er geht immer wieder und er kommt auch immer wieder. Du hast dich tausend Mal selber dafür geohrfeigt, für dein Hoffen, dein Warten und dein Sehnen. Ja, genauso oft wolltest du diese Geschichte vergessen und beenden. Du hast andere Männer kennengelernt, sie getroffen, aber sei ehrlich… eine reelle Chance hatten sie von Anfang an nicht. Wie denn auch? Du kannst nichts in deinem Herzen wegradieren und einfach neu überschreiben. Das funktioniert nicht.

Wie oft hast du in all den Jahren wach gelegen und vom Bett aus in die dunkle Nacht geweint? Wieviele Male hat dich die Sehnsucht nachts zerrissen und die Liebe am Tag dann wieder geflickt? Wie oft hat deine Hand ihn vergebens morgens im Bett gesucht, wollte ihn nur für einen Moment berühren? Und sag mir, wie oft wünschst du dir, dass er dir endlich diese Tarnkappe, welche du trägst, abnimmt, damit das Versteckspiel aufhört? Du möchtest nicht mehr unsichtbar sein, sondern gesehen werden… mit ihm gesehen werden, an all den Orten, die du immer noch alleine betrittst.

Lass mich raten, was andere Menschen sagen, denen du von diesem Mann erzählst. Sie sagen, du bist verrückt, du sollst den Typen vergessen und es gäbe doch genügend andere Männer. Er sei ein Feigling, nicht ehrlich, er täte dir doch nur weh und du hättest etwas Besseres verdient. Aber wie oft hast du dir gedacht, sie mögen einfach nur still sein und ihn doch mal mit deinen Augen sehen, so wie du seine Nähe empfinden und ihn so stark fühlen wie du? Sie wissen nicht, wieviel Spaß ihr zusammen habt, wieviel ihr lachen könnt, was ihr für tolle Gespräche führt und (ich vermute) welch großartigen Sex ihr genießt.

Weißt du meine Liebe, ich sage dir wie ich das sehe. Du bist eine wundervolle, starke und mutige Frau. Du kannst lieben, ohne etwas zu erwarten, ohne Bedingungen zu stellen und ohne diesen Mann für dein Leben zu brauchen, denn das bekommst du super allein auf die Reihe. Du machst dein Leben nicht von ihm abhängig. Das können nicht alle Frauen. Ich bin mir auch sicher, dass dieser Mann deine Unabhängigkeit, deine Liebe, die ihn wie eine Wolke in jedem Augenblick, egal wo er ist, umhüllt, die ihn beschützt und hält sowie deine Nähe, die ihn wärmt, unheimlich schätzt. Ja, ich behaupte einfach, dass er dich genauso liebt, egal was andere sagen. Aber vielleicht ist er nicht so stark wie du, vielleicht hat er, anders als du, Angst vor Veränderung, immer noch Angst vor einer Liebe, die er so nicht kennt und der er noch nicht vertrauen kann. Ich weiß es nicht.

Du verlangst niemals eine Entscheidung von ihm. Aber du wünscht dir so sehr, dass er die richtige trifft, dass er zu dir steht, genauso bedingungslos wie du zu ihm… dass die Tarnkappe verschwindet und du endlich sichtbar wirst. Du wünscht dir, dass ihr jederzeit und überall euer Lachen teilen könnt, dass er deine Hand hält, dann, wenn du endlich nicht mehr allein am Meer spazieren gehen musst. Du möchtest seine Arme spüren, die dich halten, wenn du Halt brauchst und sein Schweigen, wenn du nur sein Herz ganz nah an deinem fühlen willst. Du wünscht dir, bei ihm zu sein, wenn er vor Glück tanzt, aber auch, wenn das Leben ihn zu Boden reißt… dann besonders.

Ja, all das wünsche ich dir auch. Aber bis dahin sei bitte nicht wütend auf dich selber. Du liebst einfach nur, daran gibt es nichts schlechtes. Vielleicht hört das nie auf, vielleicht doch irgendwann, wer weiß das schon?

Nun fragst du dich, warum ich fühlen kann, was du fühlst, weshalb ich dir diese Geschichte nicht ausrede und warum ich deine Liebe einzigartig finde und sie so gut verstehe.

Tja, weil ich so oft abends vom Bett aus in die Nacht weine, weil meine Sehnsucht mich tausendmal schon zerrissen hat, weil meine Hand jeden Morgen neben mir ins Leere greift und…

… weil ich ein ähnliches Modell deiner Tarnkappe trage.

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