Vor einigen Jahren zeigte mir jemand den Videomitschnitt eines Seminars von Robert Betz, Kurt Tepperwein oder wer immer das war. An das Thema kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich erinnere mich an eine Dame, die Herrn Betz vorklagte, dass sie immer noch einen Mann liebe, der sich irgendwann gegen sie entschieden hatte und zurück zu seiner Ehefrau ging. Sie wollte wissen, was sie dagegen tun kann, denn schließlich wäre die Liebe zu diesem Mann nun sinnlos. Herr Betz grinste und fragte die Frau, wo denn ihr Problem sei. Er könne keines erkennen. Sie solle doch einfach weiter lieben. Die Frau versuchte nochmals ihm ihr Leid zu erklären, aber bekam wieder die gleiche Antwort. Ich schaltete damals dieses Video ab und dachte mir, der Typ spinnt. Warum sollte die Frau weiter lieben? Sie leidet doch dann bloß. Ich verstand es damals nicht.
Heute, einige Sommer älter, habe ich verstanden. Liebe kann man nicht abschalten. Dafür gibt es keine Meditationen, keine Heilung, kein Entkommen, Verdrängen, Loslassen oder was immer manche sonst noch so erwarten von den vielen sich tümmelnden Coaches, Trainern oder Gurus. Mir sagte jemand, wenn Liebe ehrlich ist, hört sie niemals auf. Und genau das ist der Punkt.
Wenn sie ehrlich ist, hört sie jedoch auf zu erwarten. Denn alles, was sie erwartet, ist nur das, was wir darüber gehört und gelernt haben. Uns wurde beigebracht, wie Liebe zu sein hat. Man hat ihr einen romantischen Touch gegeben, so wie er uns in Hollywood-Filmen suggeriert wird. Bei dem Wort Liebe denken wir an Harmonie, an verliebte Gesten des anderen, an ständiges Füreinander-da-sein, an die Worte „Ich brauche dich“, an Händchenhalten und für immer und ewig beieinander sein. Das mag es alles geben. Aber wie schnell ist Liebe wieder verflogen, wenn klar wird, so läuft es nicht 365 Tage im Jahr? Was passiert denn, wenn der Alltag nicht immer rosarot ist? Wie schnell ist die große Liebe verschwunden, wenn der Partner sich weiter oder in eine andere Richtung entwickelt? Was ist denn, wenn er/sie nicht mehr so funktioniert, wie wir uns das vorgestellt haben? Schnell ist es vorbei mit der filmreifen Liebe.
Aber wenn Liebe keine Bedingungen stellt, wenn sie aufhört zu brauchen und nach einem Sinn zu suchen, wenn sie die Gegebenheiten so annimmt wie sie sind, wenn der Mensch, den wir lieben, nichts mehr dafür tun muss, um von uns geliebt zu werden, wenn es keine Gründe mehr für diese Liebe gibt… was sollte dann der Grund sein, dass sie wieder verschwindet? Dann bleibt sie, hört eben niemals auf, weil sie ehrlich ist und der Andere nur noch für sein Da-Sein geliebt wird.
Die Dame aus dem besagten Seminar kämpft. Sie kämpft einen Kampf, den sie nicht gewinnen kann, nämlich den gegen sich selbst. Und dieser Kampf macht mürbe, wirft einen zu Boden und kostet Kraft. Wenn diese Liebe jedoch einfach so sein kann, dann ist sie frei, frei von allem, was ihr schaden könnte und sie ist leicht. Also, warum sie nicht auch einfach so da lassen? Weil man dann leidet?
Nein, Liebe lässt nicht leiden. Vielleicht ist es das Vermissen und die Sehnsucht nach der Nähe dieses Menschen, die einen zerreißt und traurig macht. Ja, das kann manchmal sehr weh tun.
Aber niemals lässt ehrliche Liebe leiden. Im Gegenteil, sie wird dir bei jedem Gedanken an den Anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und das vollkommen ohne Grund. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass so eine Liebe, ohne Bedingungen oder Gründe, immer dort ankommt und gefühlt wird, wo sie hingehört… auch ohne Sehen, ohne Worte und erst recht, ohne einander dafür zu brauchen.
Dann wird sie berühren, ohne den Anderen dafür berühren zu müssen und wer weiß denn schon, was das Leben daraus noch macht?