Mach deine Sache gut, mein Sohn

Es ist schon Nacht. Mein quietschgelbes Kleid hängt endlich gebügelt am Schrank und die Taschentücher sind für alle Fälle bereits in der Handtasche verstaut. Ich frage mich, wie du dich heute Nacht fühlst und ob du dich fragst, wie ich mich fühle. Nein, du bist aufgeregt und in so einer Nacht denkt man auch nicht an seine Mutter. Aber sie denkt an dich.

Du wirst morgen meine Hand loslassen und ich werde nicht versuchen, dich festzuhalten. Denn eine andere Frau wird nun deine und du ihre halten. Da werden Menschen sein, die euch das Übliche wünschen… Glück, Liebe und wahrscheinlich auch Kinder. Eben, was man einem Brautpaar so wünscht. Was wünsche ich dir? Und was wünsche ich vor allem mir?

Ich habe versucht, dich zu dem Mann zu machen, den eine Frau ehrlich lieben kann. Das war nicht immer so leicht, vor allem, wenn man eine lange Zeit Mutter und Vater gleichzeitig sein musste. Aber ich habe mir wirklich Mühe gegeben und es wohl geschafft, denn schließlich wird morgen eine Frau aus Liebe Ja zu dir sagen. Sie hat sich für dich entschieden.

Hör zu, mein Junge, trag die Liebe dieser Frau vorsichtig und behutsam, wie ein zerbrechliches, wertvolles Geschenk. Begegne ihr immer mit Respekt und sei der Mann an ihrer Seite, auf den sie sich verlassen und dem sie blind vertrauen kann. Gib ihr Halt, aber halte sie niemals fest. Lass ihr Raum für eigene Träume und Wege, dann wird sie dich gerne dahin mitnehmen. Lauf nicht wie ein Hund hinter ihr her, aber stell dich ihr auch nicht wie ein Fels in den Weg. Geh neben ihr, damit ihr auf Augenhöhe vor euch das Selbe sehen könnt.

Schau deine Frau an, aber nicht nur in ihr Gesicht. Sieh in ihr Herz, ihre Seele und vor allem tief in ihre Augen. Dann wirst du immer auch das erkennen, was sie der Welt nicht zeigt, weil es nur für dich bestimmt ist. Sei ihr auch stets der beste Freund. Lach mit ihr, streite mit ihr und nimm sie wortlos in den Arm, wenn sie weint. Mach aus einer kleinen Szene nie einen großen, dramatischen Film. Ich weiß, wir Frauen sind manchmal etwas merkwürdig und bestimmt nicht immer für euch Männer leicht zu verstehen. Auch du musst sie nicht ständig verstehen können. Einfach nur da sein, das reicht.

Mach deiner Frau niemals Angst, mein Sohn. Sobald sie Angst vor dir haben muss, wird diese ihre Liebe auffressen. Wenn du wütend, verzweifelt oder hilflos bist, weil das Leben nicht immer so fair ist, dann projiziere diese Emotionen nicht auf sie. Sie ist nicht der Grund für deine Unzufriedenheit. Rede mit ihr, so oft und so viel wie möglich, damit ihr immer wisst, wie der andere sich fühlt und was ihn bewegt. Sei ehrlich zu deiner Frau, damit ihr Vertrauen zu dir nie in Misstrauen umschlägt.

Und noch etwas. Verliere dich selbst nicht aus den Augen. Auch du hast Träume und Wünsche. Leg diese nicht beiseite. Geh auch du den Weg, der für dich wichtig ist. Aber, lass deine Frau daran teilhaben. Nimm sie mit, wenn sie dich begleiten möchte.

Ich las diese Woche einen schönen Satz: „Der Spiegel eines Menschen sind seine Kinder.“ Also los, schnapp dir die Hand deiner Braut und dann rockt gemeinsam mit ganz viel Spaß, Liebe und auch ruhig mal etwas verrückt dieses aufregende Leben. Das wäre mein Spiegel, in den ich dann lächelnd schauen kann.

Nun lauf mit ihr los und dreh dich dabei bitte nicht zu mir um. Ich will mir ungesehen ein paar Tränen wegwischen…,

… weil es einer Mutter nun mal nicht so leicht fällt, die Hände ihrer Kinder loszulassen.

Kommentar verfassen