Die abgeschaltete Frau

Heute bin ich bei Facebook auf einen sehr interessanten Beitrag gestoßen. Ein Coach bietet in einer Facebook-Gruppe Frauen seine Hilfe an, endlich nicht mehr Opfer ihrer Gefühle und Emotionen zu sein. Er verspricht, dass er jeder Frau den Knopf zeigen wird, um eben diese Gefühle und Emotionen „unter Kontrolle“ zu haben. Ich musste zweimal lesen, einmal laut lachen und dann begann ich über mich nachzudenken, wie oft und wie stark ich unter meinen Gefühlen und Emotionen leide.

Natürlich ist es eine mittelschwere Katastrophe, wenn ich vor lauter Lebensfreude, Spaß und Albernheit so wahnsinnig lache, dass mein Mascara verwischt. Das selbe Leid widerfährt mir übrigens, wenn ich stundenlang vor Traurigkeit weine. Zu allem Übel werden die Augen davon auch noch dick, so dass ein erneutes Auftragen von Wimperntusche gar nicht möglich ist.

Klar trinke ich gerne wie eine Dame aus einem schönen Glas einen guten Rotwein. Aber wenn ich mit den Jungs beim Grillen sitze, darf es bei rauhbatzigen Gesprächen auch mal ein Bier aus der Flasche sein. Ich fühle mich großartig, wenn mir ein Mann die Tür aufhält, aber meinen Glauben an die Männerwelt verliere ich nicht sofort, wenn ich das auch mal alleine machen muss, bin ja schließlich schon groß. Natürlich zittere ich bei Minusgraden vor Kälte in meinem Kleidchen, aber egal. Ich will mich auch im Winter als Frau und wunderschön fühlen, die nächste Blasenentzündung logischerweise bereits vorhersehend.

Ich kann mit interessanten Menschen bis zum Hellwerden reden und sabbeln ohne Ende. Aber wenn mich jemand mit seinen Worten beeindruckt, bin ich auch einfach mal still, höre stundenlang zu und beobachte diesen Menschen mit all seiner Gestik und Mimik, um seine Schönheit zu sehen, auch wenn es diesen etwas nervös macht. Wenn ich so richtig wütend bin, passiert es schon mal, dass ich ein Glas durch den Raum werfe. Zerbricht dieses dann wider Erwarten nicht auf dem weichen Teppich, bringt mich das erst recht in Rage und der Duden in meinem Kopf spuckt die schlimmsten Schimpfwörter aus. Ich bevorzuge in der Öffentlichkeit gepflegte Toiletten, wenn mich dieser natürliche Drang überkommt. Eine bodenlose Ungehörigkeit ist es aber von mir, wenn ich in der rauhen Natur unterwegs bin und mich so gar nicht ladylike in die Büsche hocke.

Ich bin in der Lage den morgigen Nachmittag im Voraus zu planen. Diese Zeitspanne reicht mir aber auch. Alles andere ist irgendwo in weiter Zukunft für mich und am liebsten überfalle ich Menschen mit meiner Spontanität. Selbstverständlich bin ich maßlos enttäuscht, wenn diese dann in genau so einem Moment, in welchem mich doch so tolle Ideen heimsuchen, einfach keine Zeit für mich haben.

Manchmal laufe ich sinnbefreit durch die Gegend, einfach nur aus Spaß. Aber an anderen Tagen analysiere ich das gesamte Universum und es tun sich mir Fragen auf, an deren Beantwortung schon so mancher gescheitert ist.

Mein Hintern ähnelt nicht gerade dem von Jennifer Lopez, aber was soll’s. Sein Sitzfleisch hat schon so manches Problem einfach ausgesessen. Ich habe keinen Friseur, den ich regelmäßig aufsuche. Eigentlich habe ich nicht mal eine Frisur. Es ist eher so die Kategorie Nest für Fledermäuse. Aber hey, was nützt das schönste makellos sitzende Haar, wenn ich damit nicht im Regen tanzen kann, aus Angst das perfekt und teuer frisierte Haupt zu ruinieren.

Ganz gefährlich wird es übrigens, wenn ich liebe. Dann überrolle ich mein Gegenüber einfach ohne den konditionierten Anstand mit meinen leidenschaftlichen Gefühlen, will frech sein, lieb sein, laut sein, leise sein, streiten, kuscheln und Sex. Wie ungehörig von mir als Frau, auch so etwas zu äußern.

Nein, ich bin nicht die perfekte Frau vom Titelblatt eines Hochglanzmagazins. Und ich lebe ständig so, wie es in diesem Moment für mich gut ist. All das wird von meinen Gefühlen und Emotionen gesteuert. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Albern und Ausgelassen oder dann wieder still und nachdenklich, total an mein Umfeld angepasst oder aus der Reihe tanzend.

Ja, es ist schlimm als Frau Opfer der eigenen Gefühle und Emotionen zu sein, sich nicht unter Kontrolle zu haben. Und sollte es dir genauso gehen, kann ich dir diese oben genannte Facebook-Gruppe nur wärmstens empfehlen.

Aber wünschen würde ich mir für dich, dass du einfach so bleibst. Denn ich glaube, so sind wir Frauen phantastisch. Nichts von unseren So-Sein sollten wir abstellen lassen, von niemandem. Lass uns weiter impulsiv, verrückt, undurchschaubar, manchmal unvernünftig und immer für eine Überraschung gut sein. Gerade so, wie unser Gefühl, unser Bauch und unser Herz es in diesem Augenblick verlangt. Denn nur so spüren wir das Leben, welches durch uns fließt, mit allen Facetten.

Anpassen war gestern (oder vorgestern?), heute ist leben, lieben, lachen, weinen und noch so viel mehr für uns da. Schäme dich für nichts und unterdrücke auch nichts davon, denn das macht dich einzigartig und wunderschön.

Lass dich nicht abschalten!

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